Ausstellung "Free Wifi"

Wie sich Kunst und Netz vertragen

Ein Mensch geht an einem Leuchtdisplay vorbei und wird mit Binärcode beleuchtet
Ein Mensch geht an einem Leuchtdisplay vorbei und wird mit Binärcode beleuchtet © dpa
Von Gerd Brendel · 31.10.2016
Warum braucht man überhaupt noch eine Galerie, wenn Künstler alles online stellen können? Dieser Frage geht die Ausstellung "Free Wifi" nach. Auf den Spuren einer Kunst, deren Wert sich nicht nur nach "Likes" und "Followern" bemisst.
Das Internet – ein unendlicher digitaler Raum der Möglichkeiten. So weit das Ideal. in Wahrheit ist aus dem Spielplatz längst ein hart umkämpfter Marktplatz geworden und längst sind die Grenzen zwischen on- und offline verschwunden. Willkommen in Zeiten des "Post-Internets", wo es einem passieren kann, dass man der Person, mit der man vor zehn Minuten Schlafzimmerpics getauscht hat, mit einem Mal an der Supermarktkasse gegenüber steht oder in einer Galerie. Die Chancen dafür stehen derzeit im "EIGEN+ART Lab" in einem Hinterhof in Berlin-Mitte nicht schlecht.
"Wir kommen in einen Raum, der aussieht wie ein Internet-Café... und letztendlich geht es darum: 'bring your own device'. Wir wollen die Menschen einladen, sich die Kunst anzusehen, die nur online zu sehen ist."
Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz leiten das EIGEN + ART Lab und das Konzept der Ausstellung "Free Wifi-Gratis WLAN" ist zusammen mit Brendan Howell entstanden. Das typische Versprechen "hipper Cafés" an ihre Kunden allerdings stimmt nur halb.
"Wenn man sich einloggt, wenn man reingeht - egal, was man eingibt, man landet auf dieser einen Seite: 'despite the post-utopian gloom of todays internet culture there are still a few artists who seem to be having fun'."

Wozu braucht Internet-Kunst Galerien?

"Trotz Trübsal und Katerstimmung in der Internet-Kultur gibt es ein paar Künstler, die anscheinend noch Spaß daran haben", behauptet das Zitat am Eingang zum Galerie-eigenen Netzwerk, eine Art digitales Haustelefon ohne Verbindung zum Rest der digitalen Welt. Um die spaßige Kunst aus Algorithmen auf dem Handy, Tablet oder Laptop zu sehen, muss man den physischen Ort der Galerie aufsuchen
Was hat die Galerie für eine Relevanz, wenn Künstler alles online stellen können? Warum braucht man überhaupt eine Galerie?
"Wir sind online und doch hier präsent, und wir hier im Eigenart-Lab wollen ja auch drüber reden, was wird verstanden, wie wird es verstanden?"
Antwortet Johanna Neuschäffer. Die Künstler, die sie und Howell auf ihrem eingezäunten digitalen Spielplatz versammeln, präsentieren interaktive Seiten, die nur funktionieren, wenn die User mitspielen - und sie tragen den Schalk im Nacken.

Dada-Homepage aus Online-Werbung

My friend, I am going to tell you... about the carrot juice to lose weight..."
Renee Carmichael hat aus Internet-Reklame-Anzeigen und -Seiten, die einen beim Surfen begleiten wie lästige Fliegen, eine Dada-Homepage gebastelt, die absurde Diättipps mit noch absurderen Finanztipps oder anderen Kaufappellen zusammenschaltet.
Um umgebetene Beobachter unserer Wege im Netz geht es auch Johannes P. Osterhof mit seiner E-Book-Reader- Installation: Damit reagiert er auf die Tatsache, dass Amazon jedes Mal, wenn irgendwo auf der Welt die Lektüre eines E-Books unterbrochen wird, eine automatische Mitteilung erhält.
"Der hat dann gedacht: ah, interessant, vielleicht soll ich das direkt persönlich an Jeff Bezos schicken."
Auf seiner Homepage hat er die Mails dokumentiert. Und wie der Chef von Amazon werden jetzt die Galeriebesucher anhand von Osterhofs digitalen Lesezeichen Zeuge von dessen analogem Leben: Von Krimis zu griechischer Philosophie zu Ratgebern für werdende Väter. Ein kostbarer Datensatz für zielgerichtete Reklame-Popups.

Thrillification und E-Ending

Damit wie das Internet unser Verhalten verändert, setzt sich die niederländische Künstlergruppe "TeYosh" in ihrem interaktiven "dictionary of online behaviour" auseinander. "Thrillification" zum Beispiel bezeichnet den "Thrill", die freudige Erregung bei der Mitteilung über eine neue Nachricht auf facebook oder sonst einem sozialen Netzwerk.
E-End, das genaue Gegenteil:
"'to remove somebody from online life', e-ending somebody, wäre dann, dass man jemand im Internet versucht komplett zu blockieren."
Der Tod im Netz. In der Ausstellung: "Free Wifi" geht es vor allem um das Überleben analoger Kunstbetrachtungsorte wie Galerien im Post-Internet Zeitalter und eine sehr lebendige digitale Kunst, deren Wert sich nicht nur nach "Likes" und "Followern" im Internet bemisst, sondern auch im analogen Gespräch darüber, zum Beispiel zurzeit in einem Berliner Hinterhof.
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