Aus den Feuilletons

Wurde der Dom als Kulisse gewählt?

Eine Luftaufnahme zeigt das Panorama von Köln abends - mit Dom und Rhein.
Idyllisches Panorama von Köln - am Hauptbahnhof in der Nähe des Doms ging es in der Silvesternacht wenig idyllisch zu. © picture-alliance / dpa / Daniel Kalker
Von Arno Orzessek · 12.01.2016
Die "FAZ" legt nahe, dass die Männer in der Silvesternacht bewusst "die majestätische Nordfassade des Doms" ausgewählt hätten. Dort heißt es: "Die Folie steigert die Aufmerksamkeit."
"Schaut auf diese Stadt!" titelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ...
Aber nicht etwa, um in Anspielung auf den einschlägigen Ausruf Ernst Reuters von 1948 - "Ihr Völker der Welt (... ), schaut auf diese Stadt!" – über Berlinisches zu berichten. Nein, der FAZ-Autor Andreas Rossmann unterstellt in seiner neuesten Interpretation der Kölner Silvester-Ereignisse, die ausgetickten Männer-Horden hätten "die majestätische Nordfassade des Doms" quasi aus werbe-technischem Kalkül zum Hintergrund ihres Treibens gemacht:
"Die Folie sichert und steigert die Aufmerksamkeit: Die Bildfixierung der Medien wird bedient. Der Dom wird als Kulisse benutzt, die noch andere Botschaften reflektiert: dass es sich um einen Anschlag auf die Kultur der europäischen Stadt als eines Ortes der Begegnung und individuellen Freiheit handelt und sich der Angriff gegen die (katholische) Kirche und mithin gegen jene Institution richtet, die in Köln bei der Aufnahme von Flüchtlingen mit Hunderten von Ehrenamtlern in der ersten Reihe steht."
So wenig Beweise Rossmann für seine These hat, so düster sind seine Schlüsse:
"Bildpolitik ist ein Geschäft, in dem der IS eine erschreckend professionelle Kompetenz zeigt. In Köln hat er nicht seine Meister, aber klammheimliche Mitstreiter gefunden."

Von "Seelenheil" und "Pimmelmacht"

Wir bleiben Silvester und den Folgen, wechseln aber die Tonart ...
Was ja oft der Fall ist, wenn wir die TAGESZEITUNG aufblättern.
Unter dem TAZigen Titel "Sie sagen 'Flüchtlinge' und meinen 'Pimmelmacht'" knöpft sich Silke Burmester gewisse Herren vom "Stern", von der "Süddeutschen Zeitung" und vor allem vom "Focus" vor.
Dessen Chefredakteur Ulrich Reitz sich im Rückblick auf Silvester besorgt gezeigt hat – und zwar ausgerechnet um das "'Seelenheil von Männern, die ihre Partnerinnen nicht mehr beschützen können'".
TAZ-Autorin Burmester findet das derart lächerlich, dass sie Reitz mit Schmackes unter die Gürtellinie tritt:
"Einer, der seinen Beschützerinstinkt gewöhnlich in der Hose hält, lässt sich dazu hinreißen, seine Ängste zu offenbaren: Davor, die Hoheit und die Kontrolle über seine Partnerin zu verlieren. Was in dem gedanklichen Albtraum mündet, sie könnte hingebungsvollen Sex mit einem Mann aus der Fremde haben. Der natürlich – die Männerangst kennt da keine Grenzen – einen Schwanz hat, der viel, viel länger und wohlproportionierter ist als sein blässliche deutsche Schlabberwurst."
Nun denn, Silke Burmester! Sind Sie sicher, dass Sie hier nicht Ihre Träume offenbaren?
So oder so finden wir, Ulrich Reitz hat Satisfaktion verdient, und wären bereit, ihn zum Stelldichein zu chauffieren – unter dem Motto: "Focus"-Chef steht für "TAZ"-Frau seinen Mann.

Polens Skepsis gegenüber Muslimen

Aber zurück zur bürgerlichen Seriosität, als deren Garant die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG gelten darf.
Unter dem Titel "Katholizismus statt Kapitalismus" erläutert der polnische Schriftsteller Stefan Chwin im Gespräch mit Gerhard Gauck, warum in Polen gerade rückwärtsgewandte Kräfte dominieren und kommt auch auf die skeptische Haltung der Polen gegenüber Migranten zu sprechen.
"Das katholische Polen wehrt sich gegen den Zuzug von Muslimen, weil es für religiöse Differenzen sehr sensibel ist. Polen ist allenfalls bereit, eine Gruppe syrischer Christen aufzunehmen. Dabei ist die mitteleuropäische Fremdenfeindlichkeit anders als jene im Westen. Die Völker Mitteleuropas standen mehrfach am Rande der biologischen Vernichtung. Das hat das Misstrauen gegenüber Fremden verstärkt, denn Fremde haben in dieser Weltgegend viel Leid gestiftet",
wiederholt Stefan Chwin ein Argument, das viele Polen nun wirklich wie ein Mantra herunterbeten. Womöglich, weil es so zutreffend ist.

Meisterwerke von letzter Hand

Wenn Ihre Tränen über den Tod von David Bowie getrocknet sind, liebe Hörer, dann lesen Sie die "Hall of Fame des Schwanengesangs" in der Tageszeitung DIE WELT ...
Knappe Besprechungen jener Meisterwerke, die – wie Bowies "Lazarus" auf dem Album "Blackstar" – im Nachhinein auf den Tod des Meisters einzustimmen scheinen. Darunter: Mozarts "Requiem", Mahlers 10. Sinfonie, Queens "Made in Heaven".
Auch insofern also hat Bowie einen Platz unter den Größten.
Im übrigen und ganz generell bleibt uns nur noch, der SZ zuzustimmen. Sie titelt:
"Schön wär's, wenn's schöner wär."
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