Aus den Feuilletons

Willemsens schönstes Heidi-Klum-Zitat

Roger Willemsen, aufgenommen am 13. Juli 2015 während der Aufzeichnung der RBB-Talksendung "Thadeusz" in Berlin
Roger Willemsen, aufgenommen am 13. Juli 2015 während der Aufzeichnung der RBB-Talksendung "Thadeusz" in Berlin © picture alliance / ZB
Von Hans von Trotha · 08.02.2016
Wie erinnert man an einen Mann des Wortes? Indem man ihn zitiert. Die TAZ druckt aus Anlass des Todes von Roger Willemsem dessen intelligent-süffisante Beschreibung der "Germany's Next Topmodel"-Moderatorin Heidi Klum. Absolut lesenswert.
Jan Feddersen schreibt über Roger Willemsen: "Die taz kam ja auch in den, so muss man es neidlos sagen, Genuss einer wirklich sehr virtuosen Art, sehr Hässliches sehr schön formulieren zu können" und zitiert eine Einlassung zu Germany’s Next Topmodel und Heidi Klum:
"Eine unschöne Frau mit laubgesägtem Gouvernanten-Profil bringt kleine Mädchen zum Weinen, indem sie ihre orthodoxe, hochgerüstete Belanglosigkeit zum Maßstab humaner Seinserfüllung hochschwindelt, über 'Persönlichkeit' redet, sich aber kaum mehr erinnern kann, was das ist, und sollte diese je zum Vorschein kommen, sie mit Rauswurf bestraft. Der Exzess der Nichtigkeit aber erreicht seinen Höhepunkt, wo Heidi Nationale mit Knallchargen-Pathos und einer Pause, in der man die Leere ihres Kopfes wabern hört, ihre gestrenge 'Entscheidung' mitteilt und wertes von unwertem Leben scheidet. Da möchte man dann elegant und stilsicher, wie der Dichter sagt, sechs Sorten Scheiße aus ihr rausprügeln – wenn es bloß nicht so frauenfeindlich wäre."
Feddersen hat schon Recht: Am angemessensten gedenkt man des Schreibenden am Ende, indem man ihn zitiert.
Ideologiekritik für Blöde
Man stellt Schreibende bisweilen aber auch am Nachhaltigsten bloß, indem man sie zitiert. So schreibt in derselben TAZ Aram Lintzel:
"Im aktuellen 'Cicero' schwadroniert der deutsche Herrendenker und Debattentroll Peter Sloterdijk vom 'Lügenäther', wahrscheinlich meint der Ex- Sannyasin damit so etwas wie öffentlich-rechtliche Chemtrails."
Lintzels Thema sind Verschwörungstheorien. Er nennt sie:
"Ideologiekritik für Blöde. Wie der Ideologiekritiker weiß der Verschwörungstheoretiker von einer Wahrheit hinter der Wahrheit, allerdings spart er sich die aufwändige Analyse der Verhältnisse."
Von Verschwörungstheorien und validen Therorien
Vor den Verschwörungstheorien können uns bekanntlich nur "valide Theorien" schützen. Und um die scheint es nicht gut bestellt:
"Das Wissen darüber, was eine valide Theorie von einer spekulativen unterscheidet, erodiert in den Wissenschaften seit längerem", lautet eines von mehreren bestürzenden Fazits eines langen Textes des Physikers und Philosophen Marco Wehr in der FAZ über – ja worüber eigentlich? Eigentlich geht es da um mehr oder weniger alles. Und es sieht nicht gut aus:
"Computer sollten nur mitdenken, die Theoriebildung darf man ihnen auf keinen Fall überlassen."
Natürlich nicht, ist man versucht zu denken, wird aber sofort mit der Frage eingeschüchtert:
"Aber ist der Trend dahin überhaupt noch aufzuhalten? Eine vom Datennebel schon ganz benommene Wissenschaft ist drauf und dran, die Tugend des Nachdenkens zu verlernen."
Von der "Tugend des Nachdenkens" ist allenthalben nicht so viel zu spüren im Moment. Ist ja auch Karneval. Worauf erstaunlicherweise wiederum nur die TAZ eingeht. Wir erfahren nicht nur, als was Kolumnistin Doris Akrap ginge, wenn sie ginge, nämlich "als wegbrechende Mitte, kippende Stimmung oder allgemeine Verunsicherung".
Panzer im Karneval
Von Heino Werning erhalten wir zudem eine "Kleine Fingerübung für den Nachwuchs-Satiriker":
"Wenn ein 'Asylpaket II' verabschiedet wird, dessen einzig erkennbarer Zweck die Abschreckung von Schutzsuchenden ist und gleichzeitig Politiker in aller Öffentlichkeit darüber debattieren, ob man die Grenzen nicht nur für Flüchtlinge schließen, sondern auch gleich auf sie schießen könne, wie könnte man einen Motivwagen für einen Karnevalsumzug im, sagen wir, bayerischen Ilmtal gestalten, der das überspitzt darstellen soll? Ein wehrmachtsnah aussehender Panzer mit den Schildern 'Asylpaket III' und 'Ilmtaler Asylabwehr' wäre durchaus naheliegend. Nun ist so ein Panzer tatsächlich auf diesem Karnevalsumzug mitgerollt. Im konkreten Fall ist leider niemand auf die Idee gekommen, die Darstellung als Kritik an der verbalen Aufrüstung gegen Flüchtlinge zu deuten. Die Initiatoren selbst am allerwenigsten. Dem Donaukurier erklärten sie, es handle sich um Protest gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik der Kanzlerin."
Dem Panzer und seiner Besatzung angemessen erscheint allein die WELT-Überschrift "Letzte Ausfahrt Unsinn".
Unter ihr kommentiert Hans-Joachim Müller drei Ausstellungen zu 100 Jahren DADA. Müllers Skepsis erreicht ihren Höhepunkt noch nicht in der Formulierung: "Natürlich kann man aus allem ein Fest machen. Nur wird man dem Unsinn nicht gerecht, wenn man ihn zum Sinn umdeutet", sondern erst mit der Bemerkung, "dass sich nicht endlos verhackstückenlässt, was längst püriert ist."
Was soll man dem denn noch hinzufügen?
Mehr zum Thema