Aus den Feuilletons

Wie man einen "Murakami" schreibt

Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami bei einer Lesung in Odense, Dänemark, wo er mit dem Hans-Christian-Anderesen-Literatur-Award 2016 ausgezeichnet wurde.
Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami bei einer Lesung in Odense, Dänemark, 2016. © picture alliance / dpa / Henning Bagger
Von Paul Stänner · 19.01.2018
Haruki Murakamis neues Buch beschäftigt sowohl die "Süddeutsche Zeitung" als auch die "Welt". Letztere geht sogar soweit, eine Art Rezept mit allen nötigen Ingredienzien für die Verfassung eines Murakami-Romans zu veröffentlichen.
Es gibt – und das freut uns in diesen dunklen, verregneten, sturmzerzausten Tagen – einen neuen Roman des japanischen Bestsellerautors Haruki Murakami. Die SÜDDEUTSCHE lobt: "Die Sprache dieses Buches ist klar und schlicht, und doch spürt der Leser, dass diese gut aufgeräumte Oberfläche Geheimnisse birgt."
Sie erläutert, dass die Gegenwart sich vor dem Leser hell und offen ausbreite, dass aber die Vergangenheit Signale in sie hineinsende. Und schon bald, das entdeckt die SÜDDEUTSCHE klar und schlüssig, "dürfte feststehen, dass nicht alle diese Fäden auf natürliche und realistische Weise verknüpft werden".

Bastelanleitung für einen Erfolgsroman

Die WELT ist einen Schritt weiter und hat aus vielen Murakami-Romanen eine Bastelanleitung ermittelt, genannt "Murakami-Manual". Empfehlungen daraus: Man braucht einen Helden, - Zitat - "ein wenig stoffelig, aber durchaus sympathisch". Der trifft Frauen, "mindestens eine unter ihnen muss geheimnisvoll sein".
Die Sprache muss "quellwasserklar" sein, eine "Unterwelt" öffnet sich und daher kommen "Gespenster der Geschichte" und so weiter und so weiter, alles wie in der Rezension der Süddeutschen. Wer keine Lust hat, auf den nächsten Murakami zu warten, kann sich mit der WELT-Anleitung selber einen klöppeln.
Ob der sich dann verkauft?

Verlernen der Kompromissfähigkeit

Die FAZ hat Zahlen zum Buchmarkt gesammelt. Es werden weniger Bücher verkauft. Ursache laut FAZ: "Jugendliche sitzen im Schnitt viereinhalb Stunden täglich am Computer – wo soll da Zeit bleiben, um zum Buch zu greifen?"
Weitere Erklärungen: Aufmerksamkeitsdefizit durch Informationsüberfluss sowie Verlust der Konzentrationsfähigkeit und daraus die Folge: "Die Menschen verlieren die Fähigkeit, lange Texteinheiten konzentriert zu lesen. Eine der wichtigsten Kulturtechniken, die wir besitzen, ist bedroht."
Ebenfalls in der FAZ sieht Jurist Volker Boehme-Neßler eine andere Kulturtechnik bedroht, nämlich die Fähigkeit zu Kompromissen. Auch er misstraut der Computerwelt. "Wer sich in sozialen Medien bewegt, ist nur noch unter seinesgleichen. Die User sind ja auch Bürger. Sie sind immer ichbezogener, weniger tolerant und kompromissfähig."
Die Folgen für die Gesellschaft: "Die Bürger verlernen die Fähigkeit zum Kompromiss. Das wird auf die Dauer dazu führen, dass Konflikte härter und Kompromisslösungen seltener gefunden werden."
Zählen wir die beiden Artikel zusammen, dann wird der Bürger a) als Nicht-Leser immer dümmer, und verliert b) die Fähigkeit zum Kompromiss. Stimmt das, so kommen raue Zeiten auf uns zu.

Schöner Fernsehen ohne Quoten

Vorübergehend glücklich war Friedemann Fromm. Eine Woche lang konnten keine Fernseh-Quoten ermittelt werden. Natürlich will auch Friedemann Fromm, ein mit Preisen ausgezeichneter Regisseur und Drehbuchautor, dass seine Filme von den Zuschauern geliebt werden, nur eben ohne Quote – Zitat:
"Ihr Verschwinden würde dazu führen, dass man sich in den Produktionen und Redaktionen wieder ausschließlich mit dem Inhalt und seiner Umsetzung auseinandersetzen muss. Dass man Gedankenleere nicht mehr mit 'Aber es bringt Quote' tarnen kann."
Ende eines schönen Gedankens.
Zum Schluss unseres Gangs durch die Feuilletons bleibt uns noch die Wahl zwischen zwei Themen – die TAZ schreibt über Donald Trump und die WELT über Mary Shelley, die Erfinderin des Monsters Frankenstein. Frankenstein oder Trump – wir ziehen Frankenstein vor. Erschienen ist das Tagebuch einer Reise, die Mary Shelley zu den Orten gemacht hat, an denen sie ca. 20 Jahre zuvor ihren Roman schrieb.

Gründe für das Übergewicht der Deutschen

Die Tour geht durch das romantische, aber moderne Deutschland und da notiert die WELT: "Deutsche einer gewissen 'Klasse' empfindet sie als 'mürrisch'", und allzu oft münden "das Geheimnisvolle, das Unbekannte, das Wilde und das Berühmte" der deutschen Nation doch wieder nur in Bratkartoffeln zum Mittagessen.
"Ich bin überzeugt", schreibt Shelley, "dass einer der Gründe für das häufige Übergewicht bei Deutschen diese frühe Hauptmahlzeit ist, die kein Ende findet."
Das zeigt – Fehlentwicklungen gab es schon vor den social media.
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