Aus den Feuilletons

Wenn Houellebecq Zigarettenpause macht

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq kauert bei der Manifesta 11 in Zürich vor seiner Arbeit "Is Michel Houellebecq OK?". Im Vordergrund sein Projektpartner Chefarzt Henry Perschak.
Michel Houellebecq kauert bei der Manifesta 11 in Zürich vor seiner Arbeit "Is Michel Houellebecq OK?". Im Vordergrund sein Projektpartner Chefarzt Henry Perschak. © picture alliance / dpa / Ennio Leanza
Von Tobias Wenzel · 14.06.2016
Michel Houellebecq hat mit dem Chefarzt Henry Perschak ein Kunstwerk für die Manifesta 11 gestaltet. Im Interview mit der "FAZ" zeigen beide wenig Gemeinsamkeiten. Da verschwindet der französische Schriftsteller lieber zum Rauchen, wenn sein Schweizer Projektpartner spricht.
"Herr Houellebecq, wie viel Zeit haben Sie?", fragt Kolja Reichert den französischen Autor zu Beginn des Interviews für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Und Michel Houellebecq antwortet:
"Ich würde gerne das Spiel Albanien-Schweiz bei den Europa-Meisterschaften sehen, das fängt in einer Stunde an."
Der Anlass des Interviews: Michel Houellebecq als ausstellender Künstler, bald in einer Einzelausstellung in Paris, nun schon bei der Manifesta in Zürich. Dafür hat der Schriftsteller, wie jeder beteiligte Künstler, mit einem Zürcher Bürger zusammengearbeitet. Michel Houellebecq mit dem Chefarzt Henry Perschak.
Und die beiden zusammen hat Kolja Reichert für die FAZ in einem Zürcher Hotel getroffen. Wobei das mit der Gemeinsamkeit dann auch ganz schnell wieder vorbei war. Auf die Frage, wie Perschak Houellebecq beschreiben würde, antwortet der Arzt lachend, nun habe er ein Problem.

Fußball ist sowieso wichtiger

"Ich gehe eben eine rauchen. Du hast fünf Minuten Zeit", sagt Michel Houellebecq zu Perschak und verlässt den Raum. Und dann reden Journalist und Arzt allein über Michel Houellebecqs Arbeit "Is Michel Houellebecq OK?"
Dafür habe er sich von besagtem Arzt gründlich untersuchen lassen und dann seinen Befund den Besuchern der Klinik als Fotokopien zur Verfügung gestellt. Bis auf den erhöhten Cholesterinwert sei bei ihm alles in Ordnung. Dann kommt Houellebecq auch schon wieder von seiner Zigarettenpause zurück, sagt noch ein paar Worte, die ähnlich belanglos klingen wie sein Kunstwerk. Und dann die beiden Sätze:
"Schaut mal auf die Uhr. Jetzt muss ich aber wirklich das Fußballspiel sehen."

Die Helden von Frankreich

Die Fußball-EM hält überhaupt Einzug in die Feuilletons dieses Mittwochs.
"Man muss nicht mehr Angriffskriege planen oder als Stoßtruppführer nachts im Niemandsland zwischen den Schützengräben kriechen, um sich den Titel 'Held' zu verdienen", schreibt Matthias Heine in der WELT.
"Es genügt, mit einer artistischen Extraleistung ein Tor des Gegners zu verhindern oder selbst eines zu erzielen."
Heine meint die beiden deutschen Fußballnationalspieler Jérôme Boateng und Shkodran Mustafi und überhaupt alle Fußballer, die während der EM in Frankreich mal eben "Helden" genannt worden sind. Und nicht nur die:
"Wer 'Held werden' googelt, wird an zweiter Stelle auf einen Hausmeisterservice verwiesen, der Reinigungskräfte auf 450-Euro-Basis sucht", schreibt Heine und wundert sich, dass dieser offensichtliche Bedeutungswandel des Wortes "Held" noch nicht im Duden zu finden ist.
Dann taucht er tief in die Begriffsgeschichte ein und zitiert den Etymologen Wolfgang Pfeifer: Das dem Wort "Held" vermutlich zugrundeliegende indogermanische Substantiv mit der Wurzel "kel-" habe wohl "ursprünglich den Hirten" bezeichnet, "der sich im Kampf gegen menschliche und tierische Räuber bewähren muss".
Matthias Heines Kommentar in der WELT:
"Das Heldendasein zeichnete sich demnach von Anfang an durch eine gewisse Unfreiwilligkeit aus."

Fenster zu mit Kabelanschluss

Eine Unfreiwilligkeit, die viele Deutsche am Sonntag hat wütend werden lassen, beschreibt Morten Luchtmann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Dass Shkodran Mustafi mit seinem Kopfball die Deutschen gegen die Ukraine in Führung brachte, war einigen schon klar, als Toni Kroos zum Freistoß anlief, weil kurz zuvor von der Kneipe an der Ecke bereits lauter Jubel ins Wohnzimmer herüber dröhnte. Wenige Sekunden reichen aus, um das Gefühl zu zerstören, live dabei zu sein."
Grund dafür seien verzögerte Fernsehsignale, was wiederum mit den Übertragungswegen zu tun habe. Am schnellsten komme das Signal über Satellitenfernsehen und über DVB-T2, das neue digitale Fernsehen über Antenne. Beim Kabelanschluss könne das Signal zwischen vier und acht Sekunden, beim Fernsehen über Internet gar eine ganze Minute später kommen. Tipp der SZ:
"Wer einen Kabelanschluss hat oder über das Internet schaut, macht vielleicht besser die Fenster zu."
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