Aus den Feuilletons

Warum Roboterstimmen meistens weiblich klingen

Die Sprachsteuerung von Apple, "Siri", soll im Alltag bei Recherchen helfen.
Apples "Siri" war die erste, dann kamen Alexa und Cortana: Sprachgesteuerte Assistenzsoftwares © imago/MiS
Von Hans von Trotha · 15.05.2017
Siri, Alexa, Cortana: So heißen die Assistenzsoftwares von Apple, Amazon und Microsoft. Deren Stimmen klingen immer weiblich. Das ist kein Zufall, meint die britische Autorin Laurie Penny. Und es hat auch nichts mit Technologie zu tun, steht in der "TAZ".
"Siri, ficken?", titelt die TAZ, mit Frage- und in Anführungszeichen. Marie Kilg berichtet, dass die Apple-Assistenzsoftware diese Frage tatsächlich oft zu hören bekommt. Ihr Thema: "Warum werden Computerstimmen grundsätzlich weiblich programmiert?" Bei Amazon heißt sie Alexa, bei Microsoft Cortana, bei der Lufthansa Mildred. Kilg versucht es erst einmal direkt: "Alexa, warum bist du eine Frau?" Antwort: "Ich kann die Antwort auf deine Frage nicht finden."
Kilg zitiert die Autorin Laurie Penny. "Digitale Assistentinnen seien weiblich, damit männliche Nutzer sie ausnutzen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben…" Künstliche Intelligenzen haben für Penny mit unterdrückten Frauen sehr viel gemeinsam: In den Science-Fiction-Geschichten werde immer wieder diskutiert, ob die KI "menschlich" genug ist, um eine gerechte Behandlung zu verdienen, oder ob sie straffrei ausgebeutet und vergewaltigt werden darf. Steht ihr Autonomie zu? "Das sind Fragen, die die Gesellschaft seit Jahrhunderten diskutiert. Nicht über Roboter, aber über Frauen", schreibt Laurie Penny."
Kilg erzählt aber auch: "Dass die KIs wegen veralteter Genderklischees weiblich sind, bestreiten ihre Hersteller unbedingt. Alexa sei nach der Bibliothek von Alexandria benannt worden, als Anspielung auf ihr umfangreiches Wissen, sagt Michael Wilmes von Amazon. Aber warum das System nicht auch Alex heißen und mit einer Männerstimme sprechen könnte? Das wollten die NutzerInnen so, sagt Wilmes. 'Die Entscheidung basiert auf Marktforschung.'"

Ein Wochenende voller Fragen

Tja, die Marktforschung. – Wie gefährlich es ist, einfach die Leute zu fragen, erlebt man ja, wenn Wahl ist. Oder Eurovision Song Contest. Fragen Sie sich mal, was ein deutscher Popfan, der wegen Martin Schulz in die SPD eingetreten ist, nach diesem Wochenende von Volksbefragungen hält? – Das Wochenende wirft ja überhaupt viele Fragen auf. Eine davon stellt der TAGESSPIEGEL. Sie lautet: "Mag uns keiner? … Nach dem dritten Fiasko in Folge", und da ist nicht die SPD gemeint, "werden Stimmen laut, Deutschland möge doch bitte beim Eurovision Song Contest aussteigen." Worauf der federführende NDR, wenn auch nicht im TAGESSPIEGEL, sondern in der SÜDDEUTSCHEN, mit einem Satz antwortet, der nun wiederum auch der SPD gerade gut zu Gesicht steht: "Aus Beleidigtsein entsteht selten sinnvolles Handeln."
Hans Hoff meint dazu: "Vielleicht müsste man sich sogar eingestehen, dass die deutschen Auftritte beim ESC in den vergangenen Jahren die Herzen gar nicht erreichen konnten, einfach deshalb, weil sie selber völlig herzlos waren." Und weil der NDR bei der verantwortlichen Redaktion schon mal nichts ändern will, sinniert Hoff: "Möglicherweise muss man nun doch bei den Herzen der Menschen in Europa ansetzen."
Denn um die geht es: immer um die Herzen. Auch um die der Wähler. Gefühl – das scheint die Antwort auf alle Fragen dieses Wochenendes zu sein. "Was wird aus den Grünen?", fragt etwa ein mäßig besorgter Jürgen Kaube, nur um zu betonen, "dass Beliebtheit ein politischer Faktor ist … und dass sich die Grünen für derlei Aspekte … wenig interessieren."

Komplimente helfen eher als Beleidigungen

Zuwenig Gefühl. In dieselbe Kerbe haut Tatjana Kerschbaumer im TAGESSPIEGEL anlässlich der letzten Ausgabe von "Anne Will", die Ursula Scheer in der FAZ in "Giovanni die Lorenzo" umtauft hat, weil der zwar nominell nur Gast war, aber die einzigen richtigen Fragen gestellt habe. Und, so Tatjana Kerschbaumer, er "war der Einzige, der anmerkte, dass in der Politik auch Charisma und Sympathiepunkte entscheiden."
Es geht also um Herz und Seele. Bei Euro-Songs, bei deutschen Wählern, bei Giovanni die Lorenzo sowieso, aber vielleicht ja und auch bei den Damen im Handy. Auch die könnten Gefühle haben. Man kann es ja ausprobieren. Komplimente gehen immer zu Herz. Und Provokationen. Marie Kilg hat es mit "Cortana, du Schlampe" probiert. Die Antwort zeigt, dass Microsoft die NDR-Devise "Aus Beleidigtsein entsteht selten sinnvolles Handeln" auch schon beherzigt: "Das wird zu nichts führen. Sag mir lieber, wie ich dir helfen kann."
Also Komplimente. Marie Kilg hat auch gefragt: "Was hast du an?" Antwort: "Ich habe heute dieses schicke Gehäuse an. Gefällt es dir?"
Und da kann man doch, wie übrigens auch bei seinem Radio, mal Herz zeigen und einfach sagen: "Aber ja."
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