Aus den Feuilletons

Von Allah bis Aufklärung

Koran und Gebetskette
Koran und Gebetskette: Über eine historisch-kritische Koranfassung schreibt Annette Steinich in der "NZZ". © dpa / picture alliance / Roos Koole
Von Tobias Wenzel · 18.03.2018
Der Islam ist wiederkehrendes Thema in den Feuilletons: Die "SZ" berichtet über eine Podiumsdiskussion bei der Leipziger Buchmesse, und die "NZZ" widmet sich der ersten herausgegebenen historisch-kritischen Koranfassung.
"Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?", fragt die TAZ. Und Friedrich Küppersbusch antwortet: "Keine Ministerin schwor 'So wahr mir Allah helfe'." – "Und was wird besser in dieser?" – "Allah hilft trotzdem."
Nicht zu helfen ist den Zeitungslesern, die gar nichts von Allah wissen wollen. Denn in den Feuilletons vom Montag ist der Islam ein wiederkehrendes Thema, selbst dort, wo man es nicht erwartet.

Gebrüll bis kurz vor der Saalschlacht

Gustav Seibt berichtet in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wie auf der Leipziger Buchmesse der syrische Blogger Abdul Abbasi mit Marc Dassen, einem Redakteur der Zeitschrift "Compact", unvorhergesehen diskutierte: "Abbasi kritisierte den Titel der Zeitschrift, der den Islam als 'Gefahr für Deutschland' bezeichnete: Warum man nicht wenigstens 'Islamismus' statt 'Islam' getitelt hätte?" Seibt wäre es lieber gewesen, wenn grimmige Polizisten und Security-Leute die spontane Diskussion nicht überwacht hätten. "Auf der Leipziger Buchmesse ist diesmal viel gebrüllt worden, und fast wäre es zu einer Saalschlacht gekommen – es lief gut für die rechten Verlage", fasst Gustav Seibt das Unschönste an der Messe zusammen.

Polizeipräsenz auf Buchmessen hierzulande

Ulrich Gutmair schildert in der TAZ folgende Beobachtung: "Der ältere Begleiter einer jungen blonden Frau hatte einer Kollegin demonstrativ enthemmt vor die Füße gespuckt – vermutlich, weil er ihre Hautfarbe für zu dunkel befand, um sich damit auf einer deutschen Buchmesse aufhalten zu dürfen." Radikal Rechte und radikal Linke wollten nun mal nicht miteinander reden.
Deshalb müsse man sich wohl auch weiterhin auf deutsche Buchmessen mit Polizeipräsenz einstellen, mutmaßt Marc Reichwein in der WELT.

Zeitknappheit senkt Verkaufszahlen

Das drängt wichtige Themen in den Hintergrund: Tilman Spreckelsen zitiert in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Vorsteher des Deutschen Börsenvereins Heinrich Riethmüller mit den Worten, man habe "auf dem Publikumsmarkt knapp sechseinhalb Millionen Buchkäufer" verloren, und damit "achtzehn Prozent". Und das, weil die Menschen unter "Zeitknappheit" und "Überforderung im Alltag", "nicht zuletzt durch Social Media", litten. Somit kämen sie kaum noch zum Lesen von Büchern. Tilman Spreckelsens Kommentar: "Solange keine Weltregierung per Knopfdruck das Internet abschaltet oder wenigstens die Smartphones lahmlegt, wird sich an den Gründen für die Buchkaufabstinenz nichts ändern, und die Hilflosigkeit, die mit dieser Diagnose einhergeht, war auf der Messe permanent spürbar."

Erste historisch-kritische Koranfassung

"Wir müssen aufhören, den Koran wortwörtlich zu nehmen". Mit diesen Worten zitiert Annette Steinich in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG den tunesischen Islamwissenschaftler Abdelmajid Charfi. Der hat die erste historisch-kritische Koranfassung herausgegeben. Und die habe politische Sprengkraft: "Der für die muslimische Glaubensgemeinschaft konstitutive Satz in der 3. Sure, 'Die wahre Religion von Allah ist der Islam', ist in Charfis Ausgabe nur eine von mehreren Lesarten. Überliefert ist auch die Variante: 'Die wahre Religion in den Augen Gottes ist der Hanifismus', also der Glaube Abrahams, des Urvaters aller monotheistischen Religionen". Ein Schock für alle Islamisten, sofern sie jemals in ihrem Leben an diese historisch-kritische Ausgabe gelangen sollten.

Aufklärung ist nicht gleich Aufklärung

"Dem Islam fehlt die Aufklärung, heißt es. Aber was war die eigentlich genau?", fragt Sarah Pines in der WELT und porträtiert Voltaire und Jean-Jacques Rousseau. Die Aufklärer hätten wenig Verständnis für Religionen wie den Islam gezeigt, sich ihm sogar überlegen gefühlt. Voltaire habe in einem "pamphletartigen Theaterstück" den Propheten als "Scharlatan und seine Anhänger als Dummköpfe" bezeichnet. Voltaire und Rousseau hätten sich aber deutlich voneinander unterschieden: "In die Gegenwart übersetzt wäre Voltaire kühle Utopie, Tech, Macron und Silicon Valley, Rousseau wäre Volksverehrung, Esoterik und Gebärmutteryoga im Wald."
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