Aus den Feuilletons

Vom "Quiz der Steuerschuldner"

Klaus Wowereit im Gespäch mit André Schmitz
"Der Fall Schmitz ist auch ein Fall Wowereit“, so die FAZ. © dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka
Von Arno Orzessek · 04.02.2014
Die TAZ plagt der Ohrwurm "Who the fuck is Alice", die WELT hält André Schmitz für kultiviert, und die SZ spricht vom Hass William S. Burroughs auf die Hippies, die Linken, die Amerikaner ...
Vorab eine verblüffende Meldung aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Die kanadische Industrial-Rock-Band Skinny Puppy hat der amerikanischen Regierung 'musikalische Dienstleistungen‘ in Rechnung gestellt. […] 'Wir haben aus einer verlässlichen Quelle die Information, dass unsere Musik [im Gefangenenlager] Guantanamo wenigstens viermal bei Folterungen benutzt wurde‘, sagte Bandchef Kevin Crompton der britischen Tageszeitung 'The Independent'.“
Überlegen wir mal kurz: Ist das eigentlich eine gute Idee, dafür abzusahnen, dass jemand die eigene Mucke als Folterwerkzeug benutzt hat?
Uns scheint, es handelt sich hier um eine echte "Gewissensfrage“, wie sie Dr. Dr. Rainer Erlinger regelmäßig im SZ-Magazin beantwortet.
Vielleicht sorgen Sie dafür, liebe Hörer, dass ihm die Frage vorgelegt wird.
Wir bleiben beim Thema "kassieren und blamieren"… wenn denn Steuerhinterziehung ein Spezialfall unbotmäßigen Abkassierens ist.
Die böse Seite des Unternehmertums
Beim Gedanken an die Schuldnerin Alice Schwarzer fühlt sich TAZ-Autorin Silke Burmester von dem Song "Who the fuck ist Alice?“ ganz ohrwurmmäßig gemartert und hält – wie aus Rache – fest:
"Interessant wird die Causa Schwarzer vor allem dadurch, dass Alice Schwarzer die Frauen, die für Emma schreiben, unterirdisch schlecht bezahlt, dann aber Manns genug ist, die böse Seite des Unternehmertums voll auszukosten und selbst Kohle zu horten.“
Nun tritt eine Schwarzer garantiert nicht von was auch immer zurück - anders der Berliner Steuersünder und Kulturstaatssekretär André Schmitz …
Anlässlich seines Rücktritts titelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG "Der Fall Schmitz ist auch ein Fall Wowereit“ …
Vertieft diese populäre These aber nicht, sondern singt in Person von Andreas Kilb ein Loblied auf Schmitz. Hier die letzte Strophe:
"André Schmitz hat ein Amt, an dem sich nicht wenige seiner Vorgänger verhoben haben, mit Geschick und Leidenschaft ausgeübt. Man kann es auch mit Zahlen sagen: Der Etat, für den er verantwortlich war, wurde nicht nur nicht gekürzt, sondern immer wieder erhöht. Dass der privat wohlversorgte Kulturstaatssekretär nun über eine Steueraffäre stolpert, kann man für eine Ironie der Geschichte halten. Ein Unglück für die Kulturpolitik des Landes Berlin ist es allemal.“
Auch von der Tageszeitung DIE WELT erhält "Der kultivierte Herr Schmitz“ passable Referenzen. Einen menschlichen Makel allerdings kreidet ihm Barbara Möller an, nämlich "eine gewisse Gutsherrenart“:
"Weil […] Schmitz Jürgen Flimm noch aus seiner Hamburger Zeit mochte, wurde […] Flimm im fortgeschrittenen Alter von 69 Jahren Intendant der Berliner Staatsoper. Und nach wie vor hält sich in der Hauptstadt hartnäckig das Gerücht, der Nachfolger von Ballettchef Vladimir Malakhov sei bestimmt worden, nachdem sich André Schmitz ein kurzes Video des Spaniers Nacho Duato angeschaut habe.“
Pistole, Apfel, tot
Raus aus der Gerüchte-Küche, rein in die Drogenhölle!
Vor 100 Jahren wurde William S. Burroughs geboren, der später oft radikal zugedröhnte Autor der Sprachfetzen-Orgie "The Naked Lunch“, ein Maniac, der seine Frau Joan Vollmer erschoss – und zwar, weil er mit ihr plus Pistole die Apfel-Szene aus "Wilhelm Tell“ nachspielen wollte.
SZ-Autor Willi Winkler bespricht die Briefsammlung "Radiert die Worte aus“ und charakterisiert Briefeschreiber Burroughs so:
"Er hasst die langhaarigen Hippies, die Linken, die Amerikaner, würde sie am liebsten wegballern, aber sie sind es, die ihn bekannt, berühmt, schließlich zu einem Klassiker machen. Die Schwarzen-, die Schwulen-, überhaupt alle Bewegungen lassen ihn gleichgültig. 'Also ich kann mehr für jede Revolution tun, wenn ich hier an meiner Schreibmaschine sitze‘, die, wie könnte es anders sein: tötet.“
Willi Winkler über William Seward Burroughs…
Von dem Jens Uthoff in der TAZ behauptet: "Die Energie seiner Sprache kann einen heute noch erwischen.“
Leider erwischt uns hier das Ende der Presseschau.
Nur eins noch: Sollte an diesem Mittwoch zufällig die Welt untergehen, wünschen wir Ihnen genau das, was die FAZ titelt - nämlich "Viel Spaß mit der Apokalypse“.