Aus den Feuilletons

"Vom Bäh zum Wow"

Eine Besucherin steht am 27.03.2013 in einem acht Meter langen begehbaren Darm-Modell im Foyer des Geraer SRH Waldklinikums. Hier beantworten Ärzte Fragen zum Thema Darmkrebs und seine Vorstufen. Die Veranstaltung findet im Rahmen des bundesweiten Darmkrebsmonats März statt.
Ein begehbares Darm-Modell in einem Krankenhaus in Gera. © picture alliance / dpa / Bodo Schackow
Von Arno Orzessek · 10.04.2014
Wie Selbstfindung über den Darm gehen kann, fragt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mit Blick auf Giulia Enders Sachbuch "Darm mit Charme". Wer einmal einen Darm von innen gesehen habe, sei überrascht über "dieses andersartige Wesen: wie Samt glänzend, nass und rosa und irgendwie zart".
"Wie hat man es zu verstehen, wenn eine junge, hübsche Frau über den Darm zu sich selbst gefunden hat?" Diese spannende Frage wirft die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG auf. Christina Hucklenbroich widmet dem Buch "Darm mit Charme" der 24-jährigen Medizinstudentin Giulia Enders nicht etwa eine schnöde Besprechung, sondern "eine Nachuntersuchung".
"Beim Darm hat man die größte Stufe zu nehmen - vom Bäh zum Wow", lässt sich Hucklenbroich von Enders persönlich erklären, zitiert aber auch schmucke Funde aus "Darm mit Charme" selbst, etwa diesen:
"Wer die Chance hatte, sich mittels einer kleinen schluckbaren Kamera auf den Weg durch den Dünndarm zu machen, ist meist überrascht. Statt auf einen düsteren Schlauch trifft man auf dieses andersartige Wesen: wie Samt glänzend, nass und rosa und irgendwie zart."
Und damit ein Pardon!
All jenen Hörern, deren Interesse an unserer Kulturpresseschau Begeisterungsbekundungen über gastroenterologische Phänomene wie den Samtdarm-Charme nicht unbedingt einschließt.
Wir bleiben beim Körperlichen - auch wenn es wehtut -, und lesen in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Schmerz: Er scheint das einzige absolute Übel, das die Menschheit kennt. Während seelisches Unglück sich schon dadurch verwandeln lässt, dass man die Sache anders betrachtet, und das Schlimme am Tod endet, wenn er selbst beginnt, ... ist der körperliche Schmerz immun gegen alle Relativierung. ‚Unerträglich' kann er sein, ein Wort, bei dessen bloßem Klang es einem kalt den Rücken hinabgeht, bezeichnet es doch den paradoxen Sachverhalt, dass etwas nicht ertragen werden kann und es gleichwohl muss; und wehe dem, der in der Mitte dieses Paradoxes gefangen sitzt!"
So kongenial beginnt SZ-Autor Burkhard Müller seine Besprechung von Sytze van der Zees "Schmerz. Eine Biographie".
"Ein dringend nötiges Aufklärungsbuch über die schlimmste Geißel der Menschheit", lobt Müller das Werk des Niederländers.
Ganz ohne Geißel ginge es allerdings nicht. Womöglich noch schlimmer als Schmerz ist - laut Müllers Lektüre van der Zees - totale Schmerzunempfindlichkeit, ein Defekt, der einen unter 250 000 Menschen trifft.
"Wer (diesen Defekt) hat, dem bricht man am besten sofort, wenn sie kommen, sämtliche Milchzähne aus, denn sonst beißt er sich in aller Unbeschwertheit Lippen und Zunge ab. Er entwickelt niemals ein Gefühl für den entscheidenden Wert der körperlichen Integrität, setzt sich ... auf kochend heiße Herdplatten und stirbt, trotz aller ängstlichen Sorge der Eltern, mit einiger Wahrscheinlichkeit noch vor dem fünfzehnten Lebensjahr."
Vom Medizinischen zum Musikalischen.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erinnert an die "Beatlemania", die vor 50 Jahren die USA heimsuchte.
In der zweiten April-Woche 1964 standen - keine andere Band hat das je erreicht - fünf Beatles-Titel auf den ersten fünf Plätzen der amerikanischen Charts.
Es waren - das zum Genuss für alle Liebhaber der Fab Four und als musikhistorische Nachhilfe für alle anderen: "I Want To Hold Your Hand", "Twist And Shout", "She Loves You", "Can't By Me Love" und "Please Please Me".
"Es brauchte dann ein gutes Jahr (so NZZ-Autor Martin Schäfer), bis die USA mit den Byrds ... und dem elektrifizierten Bob Dylan eine adäquate Antwort gefunden hatten, eine Antwort, wohlgemerkt, die ganz direkt von den Beatles und der ‚British Invasion' inspiriert war."
Um Gegenwartsmusik geht es in der Tageszeitung DIE WELT.
Michael Pilz unterhält sich mit dem Hamburger HipHop-Star Jan Delay anlässlich des neuen Albums "Hammer & Michel" über "Haltung, Hamburg und andere Ideale".
"Mir hat der Hip-Hop trotz oder wegen meiner linken Erziehung geholfen, lockerer mit dem Kapitalismus umzugehen (erklärt Delay). Da bin ich gern ein wandelnder Widerspruch .... Ich kann gegen Konzerne labern und trotzdem Nikes tragen. Das ist dann halt so. Cool, fett und geil."
Liebe Hörer, damit haben wir unseren Job gemacht. Uns bleibt nur noch zu sagen, was auch der norwegische Autor Karl Ove Knausgard am Ende seines Interviews in der SZ sagt:
"Und jetzt machen wir etwas anderes."