Aus den Feuilletons

US-Demokrat Sanders sieht Trump als Chance

Der Kandidat der Demokraten Bernie Sanders bei den US-Vorwahlen in Santa Monica / Kalifornien.
Demokrat Bernie Sanders glaubt fest daran, dass sich in den USA eine neue Graswurzelbewegung gegen die Politik von US-Präsident © dpa / picture alliance / Mike Nelson
Von Ulrike Timm · 27.05.2017
Bernie Sanders, der gescheiterte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, nennt die Republikaner in der "Zeit" offen "rechtsextremistisch". Er kann der Präsidentschaft von Donald Trump aber auch etwas Positives abgewinnen.
Donald Trump besucht Europa, alle starren "gebannt auf die chaotischste Woche in seiner dahinrandalierenden Amtszeit", so die ZEIT, und deshalb sei das genau der richtige Moment, um seinen – so Peter Kümmel – "klügsten Gegner zu treffen". Senator Bernie Sanders nämlich, den "Präsidenten der (linken) Herzen", auf den sich die Demokraten als Kandidaten nicht einigen konnten - mit bekannten Folgen.
Interviewer Peter Kümmel fällt vor dem Mann zwar irgendwie allzu tief auf die Knie vor Bewunderung, aber die Antworten von Sanders sind wohltuend gradlinig und erstaunlich optimistisch. Auch wenn er natürlich kein Blatt vor den Mund nimmt und die Republikaner offen "rechtsextremistisch" nennt – da hatte die ZEIT dann ihr Zitat, das die Runde machte.
"Das Positive an der momentanen Lage ist, "so sagt Bernie Sanders, "dass eine Menge Leute, die sich bisher nicht für Politik interessiert haben, aufgewacht sind. Jetzt sehen sie, was passiert, wenn 40 Prozent der Bevölkerung nicht zur Wahl gehen. Sie haben begriffen, dass sie sich einmischen müssen, dass sie eine Regierung wählen müssen, die für alle kämpft – und nicht für das eine Prozent ganz oben".
Dazu werden die Amerikaner ja nun erstmal keine Gelegenheit haben. Aber Sanders glaubt fest an die grassroots, die Graswurzelbewegung einer Opposition, die sich neu und klar formiert. Man möchte ihm so gerne glauben, dem Senator Sanders, der einmal eine Abstimmung im US Senat dadurch boykottierte, dass er eine achteinhalbstündige freie Rede am Stück hielt. In Zeiten, wo mit 140 Twitterzeichen regiert wird.

Der Mythos J. F. Kennedy

Auch Christoph von Marschall, langjähriger USA-Korrespondent des TAGESSPIEGELS, blickt in dessen Sonntagsausgabe zurück, wenn er eigentlich vorausschauen möchte. Vor 100 Jahren wurde John F. Kennedy geboren, bis zum Mord von Dallas war Kennedy nur 1036 Tage im Amt, mit politisch eher karger Erfolgsbilanz, und doch wurde er zum Mythos, in Deutschland noch mehr als in den USA, meint der Tagesspiegel:
"Diese Modernisierungssaga – jugendlicher Elan schlägt Erfahrung; Generationswechsel als Bedingung für Fortschritt – haben Barack Obama 2008 und Emmanuel Macron 2017 für sich erfolgreich genutzt. Eine Stippvisite des nun 55-jährigen Obama beim Kirchentag genügt als Kontrast zum Auftreten des 70-jährigen Nachfolgers Donald Trump, um die Anziehungskraft der Erzählung zu erneuern. Ihr Urtypus aber ist John F. Kennedy."

Langeweile in Cannes

Eine Modernisierungssaga hätte den Filmfestspielen von Cannes zu ihrem 70-jährigen Bestehen ganz gut angestanden. Aber nix da. Verena Lueken, die schon die ganze Woche für die FAZ berichtete, zieht in der Sonntagsausgabe vorab ein ernüchterndes Fazit:
"Es war oft zum Gähnen….Es ist kein Wunder, wenn später niemand sehen will, was wir gerade gesehen haben: zum überwiegenden Teil Autorenfilme aus jener europaweiten Parallelökonomie der Förderanstalten, deren Mitglieder ebenfalls Jahr für Jahr anzutreffen sind. Was wir brauchen, sind Filme, in deren Zusammenspiel ein Vibrationsraum für Gedanken und Streit, für Vergnügen und Begierden, für Moden und Stile entsteht. So war es oft in Cannes. In diesem Jahr nicht."
Das hätte James Bond wohl nie so gesagt, aber ein Fall für die Filmförderung war der Geheimagent Ihrer Majestät ja auch nie. Und Roger Moore kein Fall für Cannes. "Sein Ruhm", schreibt Andreas Platthaus in der FAZ, "hört auf den Namen Bond. James Bond." Auch wenn diese Zeiten schon über 30 Jahre her sind. 1985 bereits gab Roger Moore die Rolle ab, denn, so lesen wir es noch mal in seinen eigenen Worten in der WELT:
"Man konnte keine Bösewichter mehr finden, die alt und zerbrechlich genug aussahen, um den Eindruck zu erwecken, dass sie von mir umgehauen werden könnten.”
Dafür hat er wohl am elegantesten Martini getrunken, geschüttelt, nicht gerührt.
Mit 89 Jahren ist der britische Schauspieler Roger Moore gestorben, für die Neue Zürcher Zeitung war der "charmanteste Geheimagent Ihrer Majestät….ihm fehlten Sean Connerys machohafter Biss und Daniel Craigs melancholische Härte". Dass Moore zu lange Geheimagent war, als es für die eigene Karriere gut war, betont die FAZ:
"Das, was Moore in den frühen fünfziger Jahren in London auf der Theaterbühne gezeigt und ihm ein Angebot der Royal Shakespeare Company, also den Ritterschlag für britische Schauspieler, eingebracht hatte, wurde ihm seit den siebziger Jahren nicht mehr abverlangt."
Aber die Popularität blieb ungebrochen, und die Neue Frankfurter Presse bringt es so auf den Punkt:
"James Bond trauert um Roger Moore."

Münchner Tannhäuser in aller Munde

Das Wort der Woche ist übrigens ein recht kindliches: "Hubba-Bubba-Nilpferd", man sieht den Speck vor dem inneren Auge sofort tanzen. Kreiert hat das Jan Brachmann für die FAZ in seiner Rezension der Münchner Inszenierung von Richard Wagners Tannhäuser. Hier muss die Sängerin der Venus bis zur Brust in einer rosaklebrigen Pampe stehen, die die Kritiker aber sprachlich sehr animiert. Eben "Hubba-Bubba-Nilpferd" oder, ungleich böser, "eine undefinierte Mischung aus Dickdarm und Jabba der Hutte aus dem Starwars Universum", so feixt die NZZ. Die Opernpremiere, die kein Feuilleton auslässt und die komplette Seiten füllt, hat nur der SZ gefallen, aber die Musik kommt eigentlich überall gut weg. Da hilft wohl nur – Augen zu und durch. Zuhören.
Das gilt, ganz ohne hubba-bubba, auch für das legendäre Beatles Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band. Es ist der Neuen Zürcher Zeitung auch 50 Jahre nach seinem Erscheinen glatt nochmal einen Aufmacher wert. Mit einer schönen Schlagzeile:
"Wie man aus Tönen Torten macht"
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