Aus den Feuilletons

Und ewig lockt die Pornografie

Der Autor und Philosoph Peter Sloterdijk (2015)
Der Autor und Philosoph Peter Sloterdijk hat einen Roman verfasst: "Das Schelling-Projekt" lautet der Titel. © imago/Stephan Wallocha
Von Tobias Wenzel · 11.09.2016
Der Philosoph Peter Sloterdijk überrascht mit einem Briefroman. Er sei eine "Parodie auf die Wissenschaft", schreibt die "SZ", gewürzt mit einer dicken Portion Pornografie. Dazu passend: Eine Besprechung des Kinothrillers "Nerve" über Voyeurismus im Internet.
"Ob es eine wahrhaft verdiente Auszeichnung ist, zumal in dieser starken Konkurrenz, sei dahingestellt."
Das schreibt Susanne Ostwald in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über den Goldenen Löwen für den Film "Ang Babaeng Humayo" (deutsch ungefähr: "Die Frau, die ging"). Begeisterung klingt anders.
Andreas Kilb von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG hält den Gewinnerbeitrag des Philippiners Lav Diaz zwar nicht für den besten Film im Wettbewerb von Venedig, er sei aber der "eigensinnigste" gewesen und damit "kein schlechter Gewinner":
"Mit seinen fast vier Stunden Länge, seinem gestauchten Bildformat und seinen überscharfen, tiefenlosen digitalen Schwarzweißbildern macht er es dem Zuschauer schwer, der Geschichte von der geduldigen Rache einer zu Unrecht verurteilten Frau an ihrem Ex-Liebhaber zu folgen, die er erzählt. Aber am Ende hat man dennoch das Gefühl, dass diese Geschichte nur so und nicht anders erzählt werden konnte."

Radikaler Gegenentwurf zum Konsumismus

"Bei Diaz bleibt man an den Figuren dran, selbst wenn diese scheinbar ziellos dasitzen."
So urteilt auch Tim Caspar Boehme in der TAZ. Und Hanns-Georg Rodek denkt in der WELT über die Tatsache nach, dass der Regisseur nicht erst seit diesem Film für Überlänge bekannt ist:
"Lav Diaz ist für das Kino, was die Slow-Food-Bewegung fürs Essen darstellt: der radikale Gegenentwurf zum Konsumismus eines YouTube-Videos oder einer in Dreiviertelstundenhappen portionierten Serie."

Sieben Millionen Euro für die Barenboim-Said-Akademie

Fast-Food wird wohl auch nicht im neuen Boulez-Saal der ebenfalls neuen Barenboim-Said-Akademie in Berlin geboten. Die Akademie ist nach dem Dirigenten Daniel Barenboim und dem mit ihm befreundeten, mittlerweile gestorbenen Philosophen Edward Said benannt.
"Natürlich rechnen wir im laufenden Konzertbetrieb mit kleineren Verlusten."
Mit diesen Worten zitiert Manuel Brug in der WELT den Gründungsdirektor der Berliner Musikakademie, Michael Naumann, den Ex-Verleger, Ex-Herausgeber, Ex-Kulturstaatsminister. Man wolle nämlich künstlerisch etwas riskieren. Aber Verluste würden aufgefangen. Letztlich vom Steuerzahler. Denn die Akademie wird vom Bund finanziert. Sieben Millionen Euro kosteten der akademische und der Konzertbetrieb jährlich.
"Man kann sich darüber einfach nur freuen, über diese so unerwartete wie unübliche Großzügigkeit gegenüber der Kultur",
so schreibt Brug:
"Oder man kann das als ewig weiterreichend schlechtes deutsches Gewissen deuten, dass der deutsche Staat über 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus die Akademie eines weltberühmten, inzwischen stark mit Berlin assoziierten jüdischen Dirigenten finanziert, die eben in Berlin israelische, palästinensische, syrische, jordanische und ägyptische Musiker ausbildet und zusammenbringt. Eine schöne Utopie fürwahr, aber keine ganz billige. Braucht es die überhaupt?"

Briefroman von Peter Sloterdijk

Fragt ketzerisch Manuel Brug in der WELT.
Das Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom Montag überrascht. Mit Themen unter der Gürtellinie. Hannelore Schlaffer rezensiert "Das Schelling-Projekt", einen Briefroman von Peter Sloterdijk. Ja, der Philosoph schreibt jetzt auch Romane. Das Buch sei "eine Parodie auf die Wissenschaft", allerdings eine "mit einem nicht unbeträchtlichen Quantum Pornografie", schreibt die Rezensentin: "Schon die Namen der Projektteilnehmer geben der Fantasie Stoff zu lüsternen Erwartungen, sie heißen: Stutensee, Freygel, zur Lippe, Mösenlechzner und Peer Sloterdijk."

Der Kinothriller "Nerve" zeigt Machtspiele im Internet

Wer da die SZ angewidert umblättert, den erwartet unter der Überschrift "Ewig lockt die Venus" eine Besprechung des Kinothrillers "Nerve" über Voyeurismus und Machtspiele im Internet. Und direkt daneben eine Werbung und darin in allzu aufdringlichen, sehr großen Lettern die Frage:
"Kommt die Tagescreme für die Vagina?"
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