Aus den Feuilletons

Überlegungen zum Wesen der Deutschen

04:12 Minuten
Der Reichstag in Berlin.
Wer Lehren aus der deutschen Geschichte zieht, meint, grundsätzlich auf der richtigen Seite zu stehen, kritisiert die NZZ. © imago images / Westend61
Von Gregor Sander · 11.06.2019
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In den Feuilletons wird über die Deutschen mit ihren Eigenheiten und Vorurteilen nachgedacht. "Der Deutsche sagt anderen gern, was sie tun sollen", meint die taz.
Der Deutsche an sich beschäftigt die Feuilletons oder wie es Klaus-Rüdiger Mai in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG formuliert:
"In Deutschland liebt man es, sich auf die Lehren der Geschichte zu berufen, wenn man den 'Anfängen' wehren will. Diejenigen, die sich auf der guten Seite wähnen, glauben daher, über dem Gesetz zu stehen und über die Freiheit anderer entscheiden zu dürfen."
In der TAZ behauptet Daniel Schulz: "Der Deutsche sagt anderen gern, was sie tun sollen."

Liebe zum Osten oder schlichtes Wirtschaftsinteresse?

In der Schweizer Zeitung werden dann von einem deutschen Autor linke Jugendliche angezählt, die eine AfD-nahe Bibliothekarin aus ihrer Bibliothek entfernen wollen, wie das in Dresden geschehen ist. Die TAZ sorgt sich um den Kuschelkurs ostdeutscher Ministerpräsidenten mit Wladimir Putin. Namentlich werden Michael Kretschmer und Manuela Schwesig erwähnt:
"In Ostdeutschland gäbe es dazu eine eigene Meinung, sagen sie, und kokettieren mit dem Selbstbild einiger Ostdeutscher, man sei aufgrund der früheren Zugehörigkeit zur sowjetischen Einflusssphäre besonders empathisch Richtung 'Osten'", schreibt Daniel Schulz und vermutet wirtschaftliche Interessen:
"Wahrscheinlicher könnte sich in solch einer Haltung das Interesse der ostdeutschen Landwirte spiegeln, ihren Käse weiter nach Russland verhökern zu können, egal, wen russische Soldaten so alles erschießen."
Klaus-Rüdiger Mai vermutet wiederum hinter den derzeitigen Jugendprotesten schlicht Meinungsmache: "Deutsche Medien erheben gegenwärtig die Jugend zu einer Art Generation gewordenem Willen, der sich die Zukunft nicht von den Alten zerstören lassen möchte."

Den Staat lenken immer die Falschen

Thomas Steinfeld von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG versucht sich etwas nüchterner an einer Gesellschaftsdiagnose: "Die Demokratie beruht nicht auf Wertegemeinschaften, sondern auf Mengenverhältnissen. Das bekommen Demokraten jetzt zu spüren."
Und da man den Menschen glücklicherweise noch nicht vorschreiben kann, gegen wen sie demonstrieren und wen sie wählen, stellt Steinfeld folgendes fest:
"Der Staat, darin sind sich die neuen Volksbewegungen einig, ist den falschen Leuten in die Hände gefallen. Aber abgesehen davon, dass die meisten deutschen Bürger mit den zivilen Errungenschaften der Bundesrepublik immer noch zufrieden sein dürften: Wann hätte es je einen Staat der richtigen Leute, wann hätte es je den guten Staat gegeben?"

Künstliche Intelligenz als Energieverschwender

Für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sind nicht die Menschen das Problem, sondern die Künstliche Intelligenz. Oder besser: deren Energieverbrauch, wie Joachim Müller-Jung vorrechnet:
"Eine lernende Maschine, wie sie für Übersetzungsprogramme von Open-AI oder Google verwendet wird, erzeugt allein in der Trainingsphase fünfmal so viel Energie wie ein Durchschnittsauto über dessen gesamten Lebenszyklus. Diese unfassbare Zahl – 284 Tonnen Kohlendioxid – hat man an der University of Massachusetts in Amherst ermittelt."
Und sollte die bisher lahmende Kryptowährung Fahrt aufnehmen, würde alles noch viel schlimmer: "Fast 1200mal so viel Energie wie der klassische Bankensektor benötigte die globale Bitcoin-Wirtschaft, die kaum einer kennt, geschweige denn nutzt, im vergangenen Jahr", stellt der FAZ Autor fest und hat auch errechnet, wieviel Energie ein gutes altes menschliches Gehirn verbraucht. Zwischen zwanzig und dreißig Watt am Tag.
"Das entspricht einer schwachen Glühbirne". Zum Fernsehen reicht das ja immerhin.

Krimikunst vom Nachbarn

Wer aber glaubt, hier schon alle Krimiformate gesehen zu haben, vom "Mord mit Aussicht" über "Kommissar Rex" zum "Tatort" und wieder zurück, dem legt Christine Dössel in der SZ trotzdem "Ein grandios exzentrischer 'Landkrimi' aus Österreich" ans Herz. Das ermittelnde Personal beschreibt sie so:
"Roli und Ferdi waren tatsächlich mal Polizisten, seit Rolis Rausschmiss haben sie sich 'selbstständig gemacht'. Ein ungleiches Paar, bad cop und good cop, der eine gefährlich lodernd und übergriffig, der andere mit Neigung zum Schlagersängertum und Yoga-Frühsport."
Laut Dössel ist das ganz großes Kino, wenn auch nur in der Glotze und der TAGESSPIEGEL urteilt über die Krimikunst unserer Nachbarn: "Der Österreicher kann auch sehr komisch."
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