Aus den Feuilletons

Typisch mit Hut, Schal und guter Laune

Berlinale-Direktor Dieter Kosslick auf den 67. Internationalen Filmfestspielen in Berlin, 2017, bei der Premiere des Films "Logan".
Der Vertrag von Berlinale-Direktor Dieter Kosslick läuft im Mai 2019 aus. © dpa-Zentralbild
Von Adelheid Wedel · 26.11.2017
Ein Thema hält die Feuilletons auf Trab: Die Zukunft der Berlinale ohne Dieter Kosslick. Der Vertrag des Chef der Internationalen Festspiele läuft zwar erst im Mai 2019 aus, die Debatte um seine Nachfolge ist in den Feuilletons jedoch schon losgebrochen.
Ein Thema hält die Feuilletons vom Montag auf Trab: "Was wird aus der Berlinale?" So überschreibt die Tageszeitung TAZ ihren Beitrag zum Thema. Erkennbar ist hier – wie auch in den anderen Berichten – ein leises Bedauern. "Für viele gehört Dieter Kosslick, Chef der Internationalen Filmfestspiele, zur Berlinale, wie der Bär zu Berlin. So verlässlich die langen Schlangen an den Ticketkassen und das miese Schneematschwetter jedes Jahr Mitte Februar, so sicher war seit 2001 auch, dass Kosslick diesem trotzen würde, mit Hut, Schal und seiner typisch besten Laune."
Nun läuft Kosslicks Vertrag Ende Mai 2019 aus. Doch schon jetzt bricht eine Debatte um seine Nachfolge los, in die sich auch die Tageszeitung DIE WELT einmischt. Sie informiert, dass sich am vergangenen Freitag 40 Regisseure und Regisseurinnen "in einem offenen Brief gegen Dieter Kosslick gewandt haben". Die Hauptbeschwerde heißt: "Das deutsche Kino schmort im eigenen Saft und ist auf der Berlinale wie weggesperrt."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG spitzt die Situation zu und erklärt die "Berlinale im Reformstau". Als Nachfolger sollte "eine herausragende kuratorische Persönlichkeit gefunden werden, die in der Lage sei, die Filmfestspiele auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen". Berlin habe Speck angesetzt, heißt es im offenen Brief, während das Herzstück, der Wettbewerb um den Goldenen Bären, geschrumpft sei. Nun müssten sich die Filmfestspiele entscheiden, "ob sie sich reformieren oder den Anschluss an die Weltspitze verlieren wollen", meint Andreas Kilb in der FAZ.

Klingt so ähnlich wie Rio Reiser

TAGESSPIEGEL und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gehen auf ein anderes kulturelles Ereignis ein. "Im Hans-Otto-Theater in Potsdam singt Moritz von Treuenfels im Musical über den verstorbenen "Ton Steine Scherben"-Sänger Rio Reiser fast so gut wie das Original. Nur die Inszenierung tut sich schwer, ein ganzes Rebellenleben zu erfassen", urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Wesentlich milder rezensiert Kai Müller im TAGESSPIEGEL. Er feiert "den munter melancholischen Rückblick auf Reisers Entwicklungen", und findet dabei "sehr schön ausbalanciert Reisers persönliche Ungeduld und sein Aufbruchsverlangen mit der allgemeinen politischen Unruhe". Der zweite Teil des Abends stehe im Licht der Selbstfindung eines innerlich Zerrissenen, denn – so Kai Müller: "Die Welt verändern und doch von allen geliebt werden wollen sind unvereinbare Antriebe".

Ist Engagement Wahnsinn oder Pflicht?

"Ist Engagement im Internetzeitalter Wahnsinn oder Pflicht?" fragt Oliver Jungen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und zitiert damit den Titel einer Veranstaltung in Köln. Sie fand im Nachgang der Verleihung des Heinrich-Böll-Preises an Ilja Trojanow statt, und allein "das enorme Interesse daran deutete auf die ungebrochene Aktualität" der aufgeworfenen Frage, so der Autor. Er berichtet dann von der Begegnung dreier Böll-Preisträger, Eva Menasse, Jürgen Becker und Marcel Beyer. Eva Menasse gab "ein feuriges Plädoyer für schriftstellerisches Engagement mit offenem Visier" ab. Es käme darauf an, "bei Gegenwind nicht aufzugeben, sondern den Kurs zu halten". Für Marcel Beyer sei Böll "interessanter als viele Publizisten seiner Zeit. Er sagte: Es sei geradezu verführerisch, Böll heute 'heimlich' wieder zu lesen, und zwar gegen alle Zuschreibungen".
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG informiert: "Ein Museum in Florenz bekommt das Urheberrecht für Michelangelos 'David'", jene weltberühmte Statue, die vor dem Palazzo Vecchio steht. "Offen ist bei der Entscheidung jedoch noch", so schränkt Thomas Steinfeld ein, "ob sie nur den Fotografien gilt oder auch allen anderen Arten der Reproduktion", wie sie beispielsweise als Kühlschrankmagnet millionenfach vertrieben werden. Unzweifelhaft aber: "Die Entscheidung des Florentiner Gerichts stelle einen historischen Sieg für den Umgang mit historischen Kunstschätzen dar". Der Bürgermeister von Florenz feiert die gerichtliche Entscheidung als eine "Bestätigung in seinem Kampf gegen die fortschreitende Kommerzialisierung seiner Stadt".
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