Aus den Feuilletons

Streit ums Gendern von "Pflicht" bis "Quatsch"

Die Illustration zeigt einen Mann und eine Frau mit Sprechblasen.
Ob sie geschlechtergerecht miteinander reden? © imago stock&people
Von Arno Orzessek · 06.06.2018
Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache geht weiter: Ablehnend äußert sich die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff in der "Zeit" - neben anderen Kolleginnen und Kollegen. Zwei Linguisten plädieren in der "SZ" wiederum vehement für das Gendern.
Wenn Sie jetzt nicht schleunigst um- oder ausschalten, liebe Hörer, dann bekommen Sie es ein weiteres Mal lang und breit mit "gendergerechter Sprache" zu tun.
Um die geht es nämlich in dem Artikel "Genus, Sexus, Nexus" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – und zwar sechsspaltig.

Geschlechtergerechte Sprache ist demokratische Pflicht

"Warum eine geschlechtergerechte Sprache nicht nur sinnvoll und wichtig, sondern auch demokratische Pflicht ist" – das erklären, von ihrer Mission erkennbar überzeugt, die Sprachwissenschaftler Henning Lobin und Damaris Nübling.
Die beiden halten gar nichts von der Doktrin, das generische Maskulinum umschließe beide Geschlechter – im "Lehrer" sei also "Lehrerin" mitenthalten –, und zitieren ihre Kollegin Luise Pusch:"'Das generische Maskulinum macht Frauen besser unsichtbar als jede Burka.'"
Verfechter des generischen Maskulinums unterstellen generell, das grammatische Geschlecht habe mit dem biologischen nichts zu tun – und das geht Lobin und Nübling gegen den Strich.

Weiblich und männlich muss unterschieden werden

"Dass etwas mit der 'Genus ist nicht Sexus'-These nicht stimmen kann, sieht man schon daran, dass das Genus in bestimmten Fällen das einzige Mittel ist, das natürliche Geschlecht zu bezeichnen. Substantivierte Adjektive werden allein durch das Genus auf Männer oder Frauen bezogen: die Kranke gegenüber der Kranke. Viel wichtiger ist aber, dass in der Linguistik längst der Nachweis erbracht wurde, dass das Genus direkte Auswirkungen auf die Vorstellung von Sexus hat."
Zum Beleg ziehen die SZ-Autoren Personenbezeichnungen wie "Terrorist" und "Florist" heran. Bei "Terrorist" würde fast jeder an Männer denken, nicht ganz so viele bei "Florist" oder "Kosmetiker". Man spricht vom "sozialen Geschlecht"…
Und damit ist für Lobin und Nübling bewiesen: Wir Deutsch-Sprecher schließen sehr wohl vom grammatischen aufs biologische Geschlecht.
Weshalb aus ihrer Sicht – Stichwort: "demokratische Pflicht" – Schluss sein muss mit der Bevorzugung maskuliner Formen.

Schriftsteller sind gegen gendergerechte Sprache

Freundlicherweise hat die Wochenzeitung DIE ZEIT einige Schriftsteller gefragt: "Wie halten Sie es mit dem Gender?" Gerade mit Blick auf "Binnen-I, Sternchen und Partizipien" - etwa "Studierende" statt "Studenten".
Eva Menasse hält es wie folgt: "Ich werde niemals gender-'gerecht' schreiben, ich werde immer ungerecht, subjektiv, stur und nach meiner eigenen Façon schreiben. Sexisten und Rassisten dürfen weiterhin in meinen Texten auftreten, sonst wäre das literarische Abbild der Welt ja geschönt. Falls das eines Tages nicht mehr möglich sein sollte, werde ich gar nicht mehr schreiben. Dann werde ich mich bei Wasserin und Brotin in ein mannshohes, frauenrundes Gender-I aus Plexiglas einsperren lassen und mich dem Spott der Massinnen und Massen anheimgeben." Zugleich empört und albern: Eva Menasse in der ZEIT.

"Die Literatur ist kein Stadtfahrplan"

Weniger albern, dafür böser: Feridun Zaimoglu. "Der Genderjargon markiert. Die Literatur ist aber kein Stadtfaltplan. Die tobenden Frauen und Männer, die sich an der Debatte beteiligen, gehören der bürgerlichen Klasse an. Der Interpunktionsirrsinn ist die Ausgeburt der höheren Töchter. Der Restaurationswahn ist das Gespei der spröden Oberschichtler. Wir sind nicht in der Benimmschule. Ich halte mich nicht an eine Grammatik der Gesinnung."
Und Sie, Sibylle Lewitscharoff? "Ich verwende keine gendergerechte Sprache, weil der ganze Quatsch entsetzlich aussieht und bürokratische Ungeheuer gebiert, die den Lesefluss stören. Mir ist noch keine einzige gescheite Frau begegnet, die sich dieses Unfugs befleißigt. Ein selbstbewusstes Naturell kann locker darauf verzichten."
Tja, hat es sich nun gelohnt, die gesamte Presseschau von "geschlechtergerechter Sprache" zu handeln? Wir sind da nicht ganz sicher…
Zumal keine Zeit mehr bleibt für Henryk M. Broders steile These in der Tageszeitung DIE WELT, in der hiesigen Willkommenskultur zeige sich der deutsche "Nationalismus" und "Kolonialismus" – nur halt in neuem Gewand.
Tatsächlich machen wir jetzt nur noch – mit einer Überschrift der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG – den "Deckel drauf."
Mehr zum Thema