Aus den Feuilletons

"Sie sprechen aber gut deutsch!"

Eine rote, türkische Fahne mit dem Halbmond und dem Stern hängt während der Fußball-EM 2016 in Berlin an einem Haus neben der deutschen Flagge in Schwarz-Rot-Gold
"Einwanderer haben 'zwei Herzen' in ihrer Brust", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". © picture alliance / Wolfram Steinberg
Von Klaus Pokatzky · 14.09.2018
Die "Süddeutsche Zeitung" kritisiert die Vorstellung von einer eindeutigen deutschen Identität als überholt und mahnt zu mehr Differenzierung. Außerdem könnten Migranten potentiell Qualitäten mitbringen, die aus der Migration selbst entstehen.
"Der deutsche Orgelbau und die deutsche Orgelmusik sind offiziell in die Liste des internationalen immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen worden." Das lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL als wirklich gute Meldung des Tages. "Weitere deutsche Kulturgüter auf der Unesco-Liste sind die Falknerei und die Genossenschaftsidee."
Wir Deutschen können eben auch in Kultur und in Sozialem. Können wir auch in Integration? "Einwanderer haben 'zwei Herzen' in ihrer Brust", steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Das klingt nicht lustig. Dabei passt die Vorstellung von einer eindeutigen Identität nicht mehr zu Deutschland." Denn: "Unterschiedliche Familienbindungen, kulturelle Einflüsse oder soziale Perspektiven bringen eine Fülle möglicher Einstellungen hervor", meint Sonja Zekri. "Nicht alle Einwanderer haben dasselbe Verhältnis zum Land ihrer Herkunft und zu dem Land, in dem sie leben."

Toxische Komplimente für Migranten

Wobei letztes ja sicherlich auch davon abhängt, wie gern sie in unserem Land leben; wie angenommen oder wie abgestoßen, wie integriert oder wie diskriminiert sie sich fühlen können. "Dass wohl jeder Mensch mit Migrationshintergrund schon mal das toxische Kompliment 'Sie sprechen aber gut Deutsch' gehört hat", beschreibt Sonja Zekri und hat auch die Antwort darauf parat: "Danke, Sie auch."
Und dann beschreibt sie die doch sehr befruchtende Tatsache, dass der Migrant "Zugang nicht nur zu einer, sondern vielleicht zu zwei oder drei Kulturen hat, dass er womöglich verschiedene Sprachen sehr gut spricht, dass er auf natürliche Weise ein Verständnis für eine andere Gesellschaft besitzt, wie es sich andere – Wissenschaftler, Journalisten, Politiker – mühsam aneignen müssen." Da kann mancher ja wirklich direkt neidisch werden.
"Soeben sind in Wien die beiden Söhne von Caroline Sommerfeld", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "von der Waldorfschule verwiesen worden – wegen der politischen Ansichten der Mutter", schreibt Patrick Bahners. "Kinder werden wegen Gefährlichkeit der Eltern von Altersgenossen separiert: eine Grausamkeit, wie man sie nur aus Diktaturen kennt." Die Autorin Caroline Sommerfeld gehört zur rechtsextremistischen Identitären Bewegung. "Es ist nicht bekannt geworden, dass sie ihren Söhnen etwa eingeredet hätte, sich gegenüber Flüchtlingskindern in der Klasse abzugrenzen", stellt Patrick Bahners fest – wie vermeintlich anti-rechte Waldorf-Pädagogen sich rechter Methoden zu bedienen scheinen.

Podiumsdiskussion mit einer Identitären

In der Kölner Kunsthochschule für Medien saß Caroline Sommerfeld nun auf dem Podium zum Thema "Die neue Rechts-Links-Kommunikation" – nachdem sie vorher dem "Spiegel"-Journalisten Hasnain Kazim wegen seiner migrantischen Wurzeln ein echtes Deutschsein abgesprochen hatte. "In Köln spricht sie von einem 'Kernbestand seit jeher gleicher Abstammung'", so die FRANKFURTER ALLGEMEINE. "Daraus folgt für sie, dass es 'Einzelne' gibt, 'die Fremdkörper sind und bleiben'." Wie eben der Journalist vom "Spiegel": "Kazim, Sohn indisch-pakistanischer Eltern, ist für sie kein Deutscher – obwohl er in Oldenburg geboren wurde, deutscher Staatsbürger und Marineoffizier a.D. ist," schreibt Patrick Bahners zu dem Deutschen mit der klaren Bereitschaft - etwa bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr - sein Leben zu geben für die Interessen unseres Landes: also seines Landes.
"Im Kampf gegen die Verbreitung von Falschinformationen", steht in der SÜDDEUTSCHEN, "wird Facebook seine Faktenprüfung auf Fotos und Videos ausweiten." Totale Fake News in diesem Zusammenhang ist natürlich, dass dafür der Noch-Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, von Facebook angeheuert werden wird. Schade eigentlich.
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