Aus den Feuilletons

"Schlecht durchdachter Nostalgiepreis"

Der Musiker Bob Dylan, geboren als Robert Allen Zimmerman.
Der Musiker Bob Dylan, geboren als Robert Allen Zimmerman. © imago/United Archives International
Von Gregor Sander · 13.10.2016
Viel Lob - und ein bisschen Nörgelei: Nicht alle sind einverstanden mit dem Literaturnobelpreis für US-Musiker Bob Dylan. Und Sibylle Berg fragt sich: Bekommt sie nun den Physiknobelpreis?
"'Ich bin entsetzt', soll er gerufen haben, als die Nachricht kam, dass der Nobelpreis für Literatur an ihn geht."
Die Rede ist in der Tageszeitung DIE WELT natürlich nicht von Bob Dylan, dem frisch gekürten Literaturnobelpreisträger.
"Ich bin entsetzt"
wird Dario Fo zugeschrieben, dem diese Ehre 1997 zuteilwurde und der ausgerechnet an dem Tag gestorben ist, an dem "His Bobness" die literarischen Weihen empfing. Und auch wenn der Tod selten lustig ist, entbehrt das doch nicht einer gewissen Ironie.
Oder wie Arno Widmann in der BERLINER ZEITUNG in einem feuilletonistischen Doppelschlag schreibt:
"Insofern ist es eine schöne Koinzidenz, dass die Bekanntgabe seines Todes auf den Tag fällt, da wir erfahren, dass Bob Dylan den Literaturnobelpreis bekommt."

Natürlich auch viel Lob für die Entscheidung

Gefallen hat Widmann daran, dass Fo damals vorgeworfen wurde kein Literat zu sein, sondern ein Dramatiker. So wie Dylan für manche eben nur ein Folksänger ist. Natürlich sind die Zeitungen auch der Lobes voll darüber, dass der mit Philip Roth wohl am häufigsten geforderte Kandidat, endlich den Preis bekommt.
Jan Küveler von der WELT bescheinigt den Texten Dylans:
"Eben Weltliteratur"
zu sein. Martin Schäfer schreibt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Unsterblich hat er sich mit seiner Poesie gemacht. Nun hat ihm die Schwedische Akademie die höchste Würde verliehen. Noch nie ist ein Sänger mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Es ist, als kehrte damit die Literatur zu ihren Anfängen zurück."

Sibylle Berg hofft auf Physiknobelpreis

Aber es wird auch genörgelt über diese Entscheidung für den Barden Dylan, wie das bei jedem anderen Kandidaten auch zu erwarten gewesen wäre. So fasst der Berliner TAGESSPIEGEL zusammen:
Gelegentlich erlaube sich die Nobelpreisakademie ein "Späßken", meint der Literaturkritiker Denis Scheck, "am besten, man lacht mit". Seine Kollegin Sigrid Löffler spricht von einer "fantastischen Fehlentscheidung".
Die Autorin Sibylle Berg twittert: "Die Chancen für mich, den Physiknobelpreis zu bekommen, haben sich gerade dramatisch erhöht", während Irvine Welsh von einem "schlecht durchdachten Nostalgiepreis" schreibt.
Thomas Steinfeld erwartet in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG sogar eine Stockholmer Neuerfindung der Literatur:
"Die Entscheidungen des Jahres 2015 und 2016 wirken demgegenüber programmatisch, im Sinne einer Erweiterung des Literaturbegriffs: in Richtung Journalismus und Reportage bei Swetlana Alexijewitsch, hin zu den 'lyrics' (im Unterschied zu 'Lyrik') im Fall von Bob Dylan."

3,9 Prozent dank Maxim Biller

Erwartbar hingegen war der Sieger im Literarischen Quartett, dass am Freitag seinen einjährigen Geburtstag nach der Wiedergeburt feiert. Markus Ehrenberg stellt im TAGESSPIEGEL fest:
"Ohne Maxim Biller wäre die Veranstaltung nur die Hälfte wert. Über die Kriterien, was denn gute Literatur sei, lässt sich trefflich streiten. Ein spannendes Buch braucht schon gute Bösewichte. Das 'Quartett' hat Maxim Biller."
560.000 Zuschauer habe die Sendung immerhin gesehen, ist im TAGESSPIEGEL zu lesen. Das sei ein Marktanteil von 3,9 Prozent und der sei hauptsächlich dem bösen Biller zu verdanken, wenn man Ehrenbergs Schlussworten glaubt:
"Einmal hat Christine Westermann wegen Krankheit gefehlt. Biller sollte das nicht passieren."

Pokébälle statt Schneebälle?

In der NZZ phantasiert sich Ronnie Grob das Ende eines Hypes herbei. Erst fragt er unschuldig:
"Pokébälle statt Schneebälle?"
Um sich dann einfach selbst so zu antworten:
"Die Frage, ob der Hype um das Outdoor-Spiel die kalte Jahreszeit überleben wird, ob also frierende Teenager tapfer durch den Schnee stapfen und mit fingerfreien oder tippsensitiven Handschuhen Pokébälle werfen statt Schneebälle, wird diesen Winter beantwortet."
Da dieser Winter ja aber erst noch kommt, bleibt die Frage natürlich noch unbeantwortet, oder wie es der neue Literaturnobelpreisträger singen würde:
"The answer, my friend, is blowin' in the wind!"
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