Aus den Feuilletons

Regalbretter, die die Welt bedeuten

Ein Kundes des Ikea-Möbelhauses in Hofheim-Wallau betrachtet ein Billy-Regal.
Kein Wohnzimmer ohne Ikea-Regal "Billy". © picture-alliance / dpa / Arne Dedert
Von Ulrike Timm · 28.01.2018
Ikea-Gründer Ingvar Kamprad leistete Herausragendes für die Geschmacksbildung, indem er die Deutschen von ihren Leder-Sitzgruppen und Schrankwänden aus Eiche befreite, schreibt der "Tagesspiegel". Die Feuilletons gedenken eines Geschäftsmannes, der das Wohnen unzähliger Menschen geprägt hat.
"Regalbretter, die die Welt bedeuten" – so titelt die WELT ihren Nachruf auf Ikea-Gründer Ingvar Kamprad und ziert den Text konsequenterweise nicht mit dem Konterfei des schwedischen Geschäftsmannes, sondern mit einem Tisch, einem Stuhl und mit Billy. Schließlich weiß jeder, dass Billy ein Bücherregal ist, ein Synonym für Ikea und Möbel, die "Design, Wärme und Knausrigkeit" perfekt miteinander verbinden. Das Prinzip, einen Teil der Arbeitsleistung an die Kunden zu delegieren und sie selbst werkeln zu lassen, gehört zu Ingvar Kamprads erfolgreichsten Ideen – und der Kampf mit dem Imbus zu den Schlüsselerlebnissen von Generationen Ikea-Kunden.

Ein schwedischer Möbelhersteller befreite die Deutschen von ihren Leder-Sitzgruppen

"Er war ein geschickter Geschäftsmann, der den Möbelmarkt revolutionierte. Fast alle Innovationen, die sich Ikea-Gründer Ingvar Kamprad ausgedacht hat, resultierten dabei aus seiner eigenen Sparsamkeit – die ihm letztlich ein Privatvermögen von geschätzten 40 Milliarden Euro einbrachte", schreibt Frederik Hanssen im TAGESSPIEGEL, und weiter, dass Kamprad eben doch auch unendlich viel für die allgemeine Geschmacksbildung getan habe, "indem er die Menschen vom Gelsenkirchener Barock befreite, von den ausladenden Leder-Sitzgruppen und den Schrankwänden aus dunkel gebeizter Eiche, die wie die Eiger-Nordwand in den Wohnzimmern aufragten."
Kamprads zeitweise Verstrickung in den schwedischen Rechtsextremismus, seine findigen Steuersparmodelle und die Tatsache, dass er Millionen dazu brachte, Ikeas Köttbullar- Hackfleischklößchen für den Gipfel der schwedischen Küche zu halten, können das Verdienst nicht schmälern, ein Werk hinterlassen zu haben, "dass das Leben und Wohnen zahlloser Menschen geprägt hat." Jetzt ist Ingvar Kamprad ist im Alter von 91 Jahren gestorben.

Wider den "Mohr" - Umbenennung führt zu Sprachlosigkeit

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zerfetzt Jürgen Kaube glossierend die Initiative des Frankfurter Ausländerrats, auf die Umbenennung zweier traditionsreicher Apotheken hinzuwirken, die den Begriff "Mohr" im Namen tragen, das habe schließlich einen rassistischen Hintergrund. Die FAZ bezieht sich auf die altertümliche Bezeichnung, wittert Sprach- wie Geschichtsklitterung und fragt "Wann wurde zuletzt jemand in der Straßenbahn als "Mohr" beschimpft?" und ob man wohl auch jeweils einschritte, wenn etwa in Zukunft das Schauspiel Othello gegeben würde. Jürgen Kaube schreibt sich regelrecht in Rage:
"Ist die Kleine Meerjungfrau in Kopenhagen wirklich geeignet, heutige Frauen zu beleidigen? Müssen Demokraten die Stimme erheben, wenn ein Restaurant "Kronenhalle heißt. Beleidigt das Hotel "Goldener Hecht" Vegetarier? Wer einer Logik folgt, für die der eigentliche Sinn eines Wortes oder Bildes stets von seiner maximal niederträchtigsten Interpretation bestimmt wird, wird nicht nur auf Geschichte verzichten müssen. Er und sie werden auch in der Sprachlosigkeit landen. Gegen den Rassismus wird das nicht viel ausrichten. Am Ende werden bloß die Straßen, Häuser und Geschäfte alle "1a" und "69b2" heißen, sofern es sich denn bei 1 und 69 um harmlose Zahlen handelt."
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG finden wir sozusagen das Fiasko des Wochenendes – die Feier zum Deutschen Fernsehpreis, der laut Hans Hoff, "sein Medium verhöhnt", denn es wurden ja sehenswerte Beiträge von einer honorigen Jury ausgezeichnet. Die Feier aber geriet wohl so unterirdisch freud-, fantasielos und fad, dass es ein dort abgelauschter Spruch perfekt zusammenfasst:
"Im vergangenen Jahr waren wir in Düsseldorf in einer Mehrzweckhalle, jetzt sind wir in Köln in einer Lagerhalle. Läuft, Freunde."
Aufgespießt wurde das von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Positiveres vermeldet der TAGESSPIEGEL, der von mehreren überzeugenden Wettbewerbsbeiträgen um den Max Ophüls Preis des jungen deutschsprachigen Films berichtet – vielleicht schafft es einer davon ja tatsächlich in die Kinos.
Bis dahin küren wir den ermunternden Aufruf von Regisseurin Doris Dörrie an ihre jungen Kollegen zum Motto der neuen Woche: "Mach, mach, mach! Probier es aus!"
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