Aus den Feuilletons

Prof. Boernes Angst vor dem Krebs

Die beiden Hauptdarsteller des "Tatort" Münster, Axel Prahl als Kommissar Thiel (l) und Jan Josef Liefers als Prof. Boerne
Die beiden Hauptdarsteller des "Tatort" Münster, Axel Prahl als Kommissar Thiel (l) und Jan Josef Liefers als Prof. Boerne © dpa / picture alliance / Bernd Thissen
Von Paul Stänner · 22.09.2014
Nach dem Erfolg des vergangenen "Tatorts" geht "Spiegel Online" dem Hinweis des Gerichtsmediziners Prof. Boerne nach, ob Kiffen Hodenkrebs fördert. "Tagesspiegel" und "Süddeutsche" ergründen dagegen, warum es so viele Messdiener ins Showbiz zieht.
Sontheimer und Ich: In der TAZ erregt sich Michael Sontheimer über Kolleginnen und Kollegen. Er zitiert aus "Spiegel" und "Taz" drei Schlagzeilen, die alle mit Ich beginnen wie "Ich muss noch einmal über Käsekuchen schreiben" und wütet gegen einen, wie er glaubt, Trend in den deutschen Qualitätszeitungen. Sontheimer:
"Es nicht ganz furchtbar. Viele Journalisten berichten weniger über interessante Personen und Ereignisse, sondern schreiben lieber über sich selbst und was sie so alles erlebt haben."
Er empfiehlt seinen Kolleginnen und Kollegen, das "subjektive Schreiben den Schriftstellern und Dichterinnen zu überlassen". Weil er leichtfertig den Männern die Prosa und den Frauen die Dichtung zugeordnet hat, wird ihm die "Taz"-LeserInnenschaft vermutlich politisch eine gepfefferte Gender- und literarisch eine Gattungsdebatte um die Ohren hauen. Ich bin froh, dass ich da nicht drinstecke.
Hodenkrebs vom Kiffen?
"Tatort" und "Spiegel" – der Tatort vom vergangenen Sonntag zog über 13 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme, ein Rekord, der in nahezu allen Zeitungen gewürdigt wird. SPIEGEL ONLINE hat den Hinweis von Jan-Josef Liefers Figur Prof. Boerne, der behauptet, vom Cannabis-Rauchen bekäme man Hodenkrebs, gleich zum Artikel erhoben und ist in der Fachliteratur diesem Problem nachgegangen. Am Ende zeigt sich, nichts ist erwiesen, der Zuschauer kann weiterkiffen und sich seiner Hoden sicher sein.
Für die, die trotzdem noch in Sorge sind, macht "Spiegel Online" in der Nachbarspalte gleich Werbung für das Heft "Spiegel Wissen" mit dem Titel "Diagnose Krebs". Aus der Werbung erklärt sich wohl, warum jetzt Spielfilme Auslöser für Qualitätsartikel werden. Dann wird es auch nicht mehr lang dauern, bis Homer Simpson oder Bernd das Brot dem Spiegel die Themen liefern. Daneben gibt es dann Bier- und Brötchen-Werbung.
Handke und Politik – sie haben noch nie zueinander gepasst, meint Thomas Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Dem Dramatiker Handke ist der norwegische Ibsen-Preis verliehen worden, die Verleihung in Oslo ging in massiven Protesten unter. Handke hatte sich in den vergangenen Jahren allzu serbenfreundlich gezeigt und schon bei der Verleihung des Heine-Preises Proteste geerntet. Steinfeld scheint es, als würden sich die damaligen Proteste wiederholen, "aber vergröbert und weitgehend von aller Textkenntnis befreit". Steinfeld diskutiert ausführlich über das Unpolitische und die Politik und beschreibt Handke fast wie eine tragische Figur:
"Darin besteht das Verhängnis Peter Handkes: Aus der Politik ist kein Entkommen."
Nach einem Rückblick in die Zeitgeschichte könnte man allerdings zu der Ansicht kommen, dass Handke an diesem Verhängnis nicht ganz unschuldig ist.
Vom Messdiener zum Showmaster
Ministrant und Moderator: Ex-ZDF-Intendant Markus Schächter hat für ein Buch 14 Promis befragt, um der These nachzugehen, ob es eine Verbindungslinie zwischen Showbiz und Messdienst gibt. Joachim Huber im Berliner TAGESSPIEGEL vermutet, die Rechnung gehe anders herum auf, dass nämlich erfolgsorientierte Fernsehleute in ihrer Jugend auch mal erfolgreiche Messdiener waren.
Hermann Unterstöger ist in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG von der Verbindung nicht überrascht, denn "in der Tat herrscht bei Pontifikalämtern ein Schreiten, Drehen und Verneigen, ein Räuchern und Orgeln, ein Deklamieren und Psalmodieren, dass einem ganz anders wird und man sich eigentlich nur noch fragt, ob und wann das Fernsehballett oder die Mainzelmännchen feierlich in die Kirche einziehen". So gesehen, wäre die These von Markus Schächter bereits bestätigt und in die Wege geleitet, was Schächter und der Herder-Verlag vielleicht beabsichtigt haben – die Kirche wird wieder attraktiv, und zwar für Jugendliche, die ins ZDF wollen.
Mein Fazit der heutigen Presseschau: Ich war Messdiener, ich wollte nie ins ZDF und ich werde nie wieder "Ich" schreiben. Verspreche ich.
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