Aus den Feuilletons

Prinzip von Ursache und Wirkung

Mitglieder der LGBT mit einer Kippa in Regenbogenfarben
Ist das Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit problemlos möglich? © imago
Von Klaus Pokatzky · 19.04.2018
Nach massiver öffentlicher Kritik trennt sich die Plattenfirma BMG von den Musikern Farid Bang und Kollegah. Gleichzeitig ist eine Debatte darüber entbrannt, ob das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit in Deutschland ohne Gefahr möglich ist.
"Das Schlimmste ist, wenn ein Fehler drin ist." Das sagt Ann Wroe: "Die Königin des Nachrufs", wie die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG die britische Journalistin nennt, die beim Nachrichtenmagazin Economist die Verstorbenen würdigt.
"Wroes Nachrufe haben keinen pathetischen Trauerflor, sind nicht staatstragend. Sie sind eine Feier des Lebens. Anders als in deutschen Zeitungen", schreibt Hannes Hintermeier, "wird hier auch auf Unbekannte geblickt, auf Menschen, von denen Wroe manchmal erst durch Leserbriefe erfährt. Eine Frau aus Alaska etwa, mit deren Tod ein weiterer Dialekt von der Landkarte verschwand."
Auch unsere Feuilletons haben leider an zwei Menschen zu erinnern. "Dieter Lattmann, Schriftsteller und Erfinder der Künstlersozialkasse, ist tot", heißt es im Berliner TAGESSPIEGEL.
"Neben dem 1981 beschlossenen Künstlersozialversicherungsgesetz setzte er sich für eine Novellierung des Urheberrechts ein."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG würdigt einen großen Kunsthistoriker: "Wie kein anderer hat Willibald Sauerländer den Blick auf die bildenden Künste geprägt und verändert."
Und er hat das Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN bereichert – mit beispielhafter Gründlichkeit.
"Erzählt man Journalistenschülern, wie Sauerländer arbeitete, so schütteln sie ungläubig den Kopf", schreibt Kia Vahland. "Er pflegte für jede Kunstkritik drei, vier Tage in die Bibliothek zu gehen. Als das im Alter zu beschwerlich wurde, ließ er sich stapelweise Bücher nach Hause schicken aus dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte, dessen Direktor er bis zu seiner Emeritierung 1989 gewesen war."
Die Rapper Kollegah (li.) und Farid Bang (re.) bei der Echo-Verleihung 2018
Die Rapper Kollegah (li.) und Farid Bang (re.) bei der Echo-Verleihung 2018© Jörg Carstensen/dpa

Diskussion um Antisemitismus voll entbrannt

Heiterer wird es jetzt leider nicht. "Nach dem Eklat um Kollegah und Farid Bang startet das Musiklabel BMG eine Kampagne gegen Antisemitismus", lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT zu den umstrittenen Preisträgern des diesjährigen "Echo" mit ihren antisemitischen Liedtexten. 100.000 Euro will das Unternehmen, das zum Bertelsmann-Konzern gehört, für Aufklärungsinitiativen an Schulen geben. Dass BMG auch die Zusammenarbeit mit den beiden Rappern auf Eis legt, brachten die Agenturen erst nach Redaktionsschluss der Feuilletons.
"Über das Prinzip von Ursache und Wirkung, siehe den aktuellen Angriff auf den Träger einer Kippa in Berlin", meint Christian Meier in der WELT, "könnte man sich allerdings eher früher als später noch einmal Gedanken machen."
Wie gefährlich ist das Tragen der Kippa in Deutschland – der Kopfbedeckung, die jüdische Männer tragen? "Die Debatte um die ‚Echo‘-Verleihung hat gerade erst gezeigt, wie sensibel hierzulande auf missverständliche Holocaust-Referenzen reagiert wird und werden muss", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN, nachdem in Berlin ein junger Mann mit Kippa von einem Passanten mit einem Gürtel geschlagen wurde. Der Täter hat sich mittlerweile der Polizei gestellt.
"Wie inzwischen bekannt wurde, war der einundzwanzigjährige angegriffene Mann, der sich selbst nicht als Jude, sondern als arabischen Israeli beschreibt, gewissermaßen versuchsweise mit einer Kippa durch den Berliner Bezirk Prenzlauer Berg spaziert, um einem Freund zu beweisen, dass das öffentliche Tragen der religiösen Kopfbedeckung hier ohne Probleme möglich sei", schreibt Simon Strauß: "Wenn Menschen in Deutschland reflexhaft wegen religiöser Kleidung angegriffen werden, fordert das den ganzen gesellschaftlichen Ernst."

Das letzte Wort hat Marx

Bei einem Blick durch die Feuilletons, der eher in Moll gestimmt ist, soll das letzte Wort der Mann haben, der am 5. Mai vor 200 Jahren geboren wurde. "Die Arbeit", zitiert der TAGESSPIEGEL Karl Marx, "produziert Geist, aber sie produziert Blödsinn, Kretinismus für den Arbeiter."
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