Aus den Feuilletons

Poesie zur neuen Datenschutzverordnung

Stempel mit der Aufschrift DSGVO und EU-Fahne
Zurzeit werden viele Mails zur neuen Datenschutzgrundverordnung verschickt. © imago
Von Ulrike Timm · 24.05.2018
Der Grund für die vielen E-Mails, die unsere Postfächer in den letzten Tagen überfüllen, ist zwar immer derselbe: die neue Datenschutzverordnung. Die Umsetzung aber sei fast schon poetisch, wie die "Süddeutsche" schreibt.
"Wir möchten mit Ihnen in Kontakt bleiben." Kommt Ihnen bekannt vor? Haben Sie dieser Tage gefühlt 394,5 Mal in Ihren E-Mails gehabt? Die Gebrauchslyrik des Tages verdanken wir der DSGVO, der Datenschutzgrundverordnung, die - gut gemeint erdacht – uns vor den großen Datenkraken schützen will und jedem kleinen Unternehmen derzeit ein Klotz am Bein ist. Weil die DSGVO so viele Kräfte bindet, die man eigentlich anderswo braucht – und dass sie gegen Facebook & Co. was ausrichtet, das bezweifeln viele Fachleute.
Die SÜDDEUTSCHE hat gesammelt, was ihr so in den Verteiler kam: "Dringliche Poesie zur neuen Datenschutzverordnung" und dann zu einem bunten Strauß zusammengebunden: "Wir verstehen keine Reaktion als stille Genehmigung" – Kölner Filmpresse. "Nun auch wir: Damit Ihr/Sie gegebenenfalls nicht doppelt ausfüllen müsst, bitte einfach nur kurz antworten, dass Ihr/Du schon geantwortet habt" – medienAgentur. "Indem Sie diese Nachricht sehen, gestatten Sie uns, jede Ihrer Bewegungen aufzuzeichnen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, hätten Sie diese Nachricht nicht lesen sollen. Alles Gute." Absender nennt sich The Mossad – dahinter könnte natürlich ein wirklich kreativer Kopf stecken. Am überschwänglich -romantischsten: "Wir wollen Sie nicht verlieren …" - Schloss Elmau.
Wenn Sie also dieser Tage genervt-zähneknirschend Ihr Postfach nach Wichtigem durchstöbern, zucken Sie mit den Achseln und trösten sich damit, dass es allen so geht. Wir sind eben eine riesige "Wir sollen nicht verloren werden"-Gemeinschaft.

Woody Harrelson über Datenschutz der dritten Art

Von Datenschutz ganz anderer und darüber hinaus analoger Art erzählt Hollywood-Star Woody Harrelson der WELT. Der neueste Star Wars-Schurke weiß, wie bei der Verfilmung von Blockbustern versucht wird, bloß nix nach außen dringen zu lassen: "Wenn man am Set ankommt, dann kriegt jeder einen speziellen E-Book-Reader. Mit dem darf man aber nicht den Drehort verlassen. Wenn man im Hotel üben will? Keine Chance! Man bekommt sowieso nicht das ganze Drehbuch in die Hand. Und versuchen Sie mal, mit Ihrem Kostüm ein Stück vom eigentlichen Drehort wegzugehen – strengstens verboten. Wahrscheinlich fliegen überall Drohnen herum, um alles zu überwachen – der Wahnsinn!" Irgendwie auch eine Form von Datenschutz natürlich, auch wenn uns unwillkürlich eine weitere Stilblüte der Süddeutschen Zeitung in den Sinn kommt: "Behandle andere so, wie Du von ihnen behandelt werden willst." Diese goldene Regel ist für uns schon immer Maßstab auch in Bezug auf ihre Daten." – Dörlemann Verlag.

"Cultur der Renaissance" in neuer Ausgabe

Weder Datenklau noch Drohnen noch Datenschutz kannte der vor 200 Jahren geborene Literat, Geschichtsdeuter, Kulturhistoriker Jacob Burckhardt, dem sich die NZZ, der Tagesspiegel und die Süddeutsche Zeitung gleichermaßen widmen. Aber die Moderne kannte er doch, denn sein Hauptwerk, "Die Cultur der Renaissance in Italien", "schildert eine Welt voller Willkür, Grausamkeit und Ehrgeiz", so Gustav Seibt in der SZ." Für Burckhardt war das Faktenmaterial toter Buchstabe", heißt es in der NZZ, "zum Leben erweckt wurden die nackten Tatsachen der Geschichte nur durch die einfühlende Intuition des Historikers" und weiter: "Durch die Kunst der Darstellung, nicht zuletzt der Erfindung und des Stils gehört seine 'Cultur der Renaissance' zur Weltliteratur. Sie hat dem Fin de siècle, seinen Schriftstellern, Komponisten und Philosophen den Stoff geschenkt, aus dem die Mythen und die Träume sind. Das hat nach Burckhardt kein Historiker mehr geschafft."
Vielleicht sollte man statt im Mail-Fach einfach mal öfter in älteren Büchern über gar nicht so alte ferne Zeiten lesen, z. B. Burckhardts "Cultur der Renaissance" - Cultur mit C, aber auch daran kann man sich gewöhnen. Zumal der mit großem Brimborium erwartete neue Band des Räuber Hotzenplotz von Otfried Preußler – so die TAZ und die Süddeutsche – irgendwie ein bisschen mau daher kommt ...
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