Aus den Feuilletons

Österliches "urbi et orbi"

Ein Korb mit bunt gefärbten Ostereiern steht auf einer Wiese voller blühender Blausternchen.
Auch in den Feuilletons gibt es manches buntes Osterei © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Arno Orzessek · 30.03.2018
Allerlei Österliches auf den Kulturseiten der Zeitungen. Die "Welt" berichtet über das "Evangelium nach Maria Magdalena", das von einem Forscherteam unter Leitung der Theologin Judith Hartenstein neu übersetzt wird, und die "FAZ" fragt: "Wen himmelt dieser Jesus an?"
Womöglich werden Sie andere Artikel hübscher finden, liebe Hörer, zum Beispiel die wirklich wunderbare Huldigung auf Joan Baez in der TAGESZEITUNG
Aber unser Ostersamstagslieblingsartikel steht unter der Frage "Wen himmelt dieser Jesus an?" in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und ist ein bisschen stinkig.
"Stolzierte der Halbnackte auf der diesjährigen Vatikan-Osterbriefmarke durch eine Badeanstalt, würden ihm jüngere Umstehende wohl ehrfürchtig 'Was für ein Körperklaus' hinterraunen. Das Problem dabei: Es ist der Heiland persönlich", beginnt der FAZ-Autor Stefan Trinks seine philatelistisch-kunsthistorische Marken-Untersuchung. Deren unheiliger Charakter mag für gläubige FAZ-Leser so erfreulich sein wie ein ungeschältes Osterei in der Speiseröhre…

Textiles und körperliches Gewebe

Dennoch hier ein weiterer Auszug, die Leinentücher betreffend, die der auferstehende Briefmarken-Jesus sinnbildhaft als irdische Hülle abstreift, um den immateriellen Leib seiner göttlichen Natur anzunehmen. Trinks erklärt:
"Diese stoffliche Doppelbedeutung von 'Gewebe' als zum einen textiles Gewirke, zum anderen körperliches Gewebe haben […] nicht zufällig nahezu alle Sprachen der Welt. Hier jedoch wirkt es mit den manierierten Binden, die um den Auferstehenden flattern und […] auf unerklärliche Weise mitten in der Luft abknicken, als sei ein Junggeselle beim feuchtfröhlichen Abschiedszermoniell mit Klopapierrollen beworfen oder ein Pfingstochse mit Bändern geschmückt worden. Oder schlimmer noch, als habe sich der Heiland bei Bondage-Spielen heillos verheddert."
Soweit Stefan Trinks, zu dem Papst Franziskus bei Kenntnis des Artikels vielleicht sagen würde: Trotzdem, du Lümmel, mein österliches 'urbi et orbi' segnet auch dich.

Soll hier der Märtyrertod glorifiziert werden?

Um festtagsbedingt beim Religiösen zu bleiben, schlagen wir in der TAZ den Artikel "Lieber mit seinen Fehlern leben" auf. Der Theologe Konstantin Sacher greift darin den Schriftsteller Martin Mosebach an, der sich verdächtig gemacht hat, mit seinem Buch "Die 21 – Eine Reise ins Land der koptischen Märtyrer" den Märtyrertod zu glorifizieren. Und das geht Sacher mächtig gegen den Strich.
"[Mosebach pflanzt] die Idee in seine Leser, man könne die Komplexität und Kontingenz des Lebens dadurch vergolden, sich für den Glauben töten zu lassen. Er ergötzt sich […] an der Logik, mit der alle Kriegstreiber ihr Fußvolk in den Tod schicken. Stirb fürs Vaterland! Es ist ein Ehrentod! Stirb für Allah! Stirb für Gott!"
Konstantin Sacher wider Martin Mosebach in der TAZ.
Lassen wir die streitenden Männer, konzentrieren wir uns mit der Tageszeitung DIE WELT auf das apokryph-geheimnisumwitterte "Evangelium nach Maria Magdalena", das im zweiten Jahrhundert entstanden ist.

Von streitenden Männern zu Maria Magdalena

Gerade wird der antike Text unter Leitung der Koblenzer Theologin Judith Hartenstein in einem Förderprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft neu übersetzt, analysiert und kommentiert.
"'Die Protagonistin des 'Evangeliums nach Maria' wird als Lieblingsjüngerin Jesu und seine wichtigste Nachfolgerin beschrieben, als seine Stellvertreterin. Marias Rolle lässt sich hier sozusagen als die der ersten Päpstin interpretieren'",
erklärt Judith Hartenstein in dem WELT-Artikel von Lucas Wiegelmann.
Und wer jetzt – ob in Erinnerung an Dan Browns "Sakrileg" oder nicht – denkt: Hey, da war doch was mit Jesus und dieser Maria… Ja, irgendwas war da! Petrus jedenfalls hat laut dem Evangelium nach Maria zu eben dieser gesagt: "Schwester, wir wissen, dass der Erlöser dich mehr liebte als die übrigen Frauen." Tja! Und sieht die Maria-Expertin Judith Hartenstein damit schon als bewiesen an, dass der Heiland verheiratet war oder zumindest außerehelich geschlechtsaktiv gekuschelt hat?

Parole für die Feiertage

Nun, liebe Hörer: Andere suchen Ostern Ostereier, suchen Sie doch die Antwort in der WELT… In der im übrigen eine Überschrift steht, die unsere Parole für die Feiertage sei. Sie lautet, vielleicht ein bisschen wild: "Lass krachen."
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