Aus den Feuilletons

Neuer Atlas im Auftrag Putins

Die Ausstellung "Karl Marx 1818 - 1883" in Trier
Die Ausstellung "Karl Marx 1818 - 1883" in Trier © imago stock&people
Von Hans von Trotha · 03.05.2018
Die "Frankfurter Allgemeine" widmet sich einem Macron-Interview in der Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Française" sowie russischen Plänen zu vaterlandstreuen Ortsbezeichnungen, während die "Süddeutsche Zeitung" sich mit den Streitschriften von Karl Marx auseinandersetzt.
Endlich Mai. Nicht nur, weil es wärmer wird, sondern auch, weil wir den Geburtstag von Karl Marx erledigen können – wobei dahinter schon das Erinnern an '68 lauert.
"Macron im Mai" überschreibt Jürg Altwegg seinen ausführlichen FAZ-Bericht über ein Interview, das der französische Präsident zum Jahrestag seiner "Machtübernahme" (Altwegg) der Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Française" gab, wohl unter Anspielung auf Louis Malles schönen Achtundsechzigerfilm "Milou en Mai", deutsch "Komödie im Mai".

Das berühmte Zitat von der sich wiederholenden Geschichte

Jeder mag für sich entscheiden, wie weit es sich bei dem, was Monsieur Le Président da von sich zu geben belieben, um Komödie handelt, wieweit Tragödie oder vielleicht Farce. Hier sollte jetzt ein Hupton einsetzen, der alle Feuilleton-Marxisten auf Marx-Anspielungen hinweist.
Wer's nicht gemerkt hat, kann's bei Gustav Seibt in der Süddeutschen nachlesen: "Nie hat Marx besser geschrieben als in seiner Streitschrift 'Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte'", schreibt Seibt – und dann kommt es, das berühmte Zitat: "Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."
Für die Mai-Kombination Macron und '68 scheint das irgendwie schon zu gelten. Jürg Altwegg berichtet: "Macron hatte mit dem Gedanken gespielt, die Revolte des Pariser Mais 1968 auf die Agenda des nationalen Erinnerns zu setzen – jetzt erlebt er dies als Remake: Universitäten werden besetzt und von der Polizei geräumt. Der Bahnstreik lähmt das Land. Für diesen Samstag haben Dutzende Schriftsteller und Publizisten zu einer Demonstration gegen Macrons "liberale und autoritäre Politik" aufgerufen.
Derweil erklärt der Präsident in der Literaturzeitschrift: "Wie eine Blume riecht, habe er aus den Büchern gelernt". "Ich habe mich mit Philosophie beschäftigt, aber geprägt hat mich die Literatur." Aber auch: "Ich bin das Resultat der französischen Liebe zum Romanhaften." Und: "Im Gespräch mit Putin erzeugten "Kunst, Musik, Literatur, die Geschichte ein starkes Echo".

Erster kartographischer Weltkrieg

Und tatsächlich hat es Putin gerade auch mit Büchern und Geschichte, wie Kerstin Holm ebenfalls in der FAZ berichtet. Demnach hat "der russische Präsident einen neuen Atlas in Auftrag gegeben, der verbreitete toponymische "Unwahrheiten' korrigieren soll." Putin "beklagte sich, dass die russischen Namen der der Antarktis vorgelagerten südlichen Shetlandinseln in Vergessenheit geraten seien." Das bezieht sich auf das Jahr 1819. Da war Karl Marx ein Jahr alt.
"Beispiele für die Verdrängung russischer Ortsbezeichnungen fänden sich auch an näher gelegenen Orten, erklärte Putin" laut Kerstin Holm weiter, "wollte allerdings nicht konkreter werden". Und, zitiert Holm: "Der oppositionelle Journalist und Blogger Igor Jakowenko glaubt, der Präsident wolle den "ersten kartographischen Weltkrieg" anzetteln, und prophezeit, wenn Russland auf vaterlandstreuen Ortsbezeichnungen bestünde, könnten bald die Griechen verlangen, dem südrussischen Fluss Don seinen antiken Namen Tanais zurückzugeben."

Fröhliches Zurück aus der Farce in die Tragödie

Und das ist so etwas wie der Auftakt zu einer großen Rolle rückwärts in die Antike in den Feuilletons: Noch einmal Gustav Seibt - der meint zum Tragödie-und-Farce-Zitat in der Süddeutschen: "Der Witz der Überlegung von Marx ist nun, dass schon die ursprüngliche Französische Revolution seit 1789 sich mit solchen älteren Kostümen geschmückt hatte, nämlich mit den Insignien der antiken römischen Republik." Und der Held des Romans, der vom derzeitigen Französischen Präsidenten handelt, stützt laut Jürg Altwegg seinen Optimismus "paradoxerweise auf die Tatsache, dass die Geschichte wieder tragisch wird".
Also: fröhliches Zurück aus der Farce in die Tragödie: "Europa", so Macron, "wird nicht mehr unter Schutz stehen. Für diesen Kontinent von Kleinbürgern, die sich im materiellen Wohlstand von der Geschichte verschont fühlten, beginnt ein neues Abenteuer, in das die Tragödie zurückkehren wird. Dieses Abenteuer wird uns neues Leben einhauchen, in dem die Literatur nicht fehlen darf."
Zitatende. Aber noch ein Zitat zum Abschluss: "Ich hasse es, gefällte Entscheide im Nachhinein zu erklären." Von wem das stammt? Karl Marx? Falsch. Putin? Könnte sein, ist aber falsch. Gustav Seibt? Auch falsch. Nein, auch das, Monsieurdames, ist Original Macron.
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