Aus den Feuilletons

Letzter Ausweg Weltall?

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst trainiert im NASA Johnson Space Center für seine Mission.
Sollen wir lieber irdische Probleme lösen oder die Erde verlassen? Der deutsche Astronaut Alexander Gerst startet seinen Dienst auf der Internationalen Raumstation ISS. © dpa / picture alliance / James Blair
Von Hans von Trotha · 04.06.2018
Während in der "FAZ" der Frage nachgegangen wird, was so faszinierend am Weltall ist, lassen die Artikel in der "taz" über Populisten in Deutschland und Italien den Weltraum als gar nicht so abwegige Zuflucht vor dem Rechtsruck erscheinen.
Angesichts des Beginns von Alexander Gersts sechsmonatigem Dienst auf der Internationalen Raumstation ISS lässt die FAZ Sibylle Anderl Antworten auf die Frage suchen: "Was ist so faszinierend daran, das All zu erschließen?" Anderl zitiert Hans Blumenberg, dem die Raumfahrt ein "Symbol der Freiheit" war, "die unsere Fesselung ans Irdische aufzuheben vermag". Aber, so Anderl, es "bleiben Fragen: Warum das alles? Ist der Aufwand menschlicher Präsenz im Weltall wirklich gerechtfertigt? Wäre das Geld nicht besser in der Lösung dringender Probleme auf der Erde angelegt?"

Sollten wir nicht zuerst irdische Probleme lösen?

"Das Extrem der Weltraumforschung könnte", so eine Antwort, "als besonderer Motor wissenschaftlicher Innovation dienen." Und: "Die ISS kann als Vorbereitungscamp und als Basis interplanetarer Raumfahrt genutzt, es können Technologien für Langzeitflüge geprüft und Außeneinsätze geübt werden. Wenn die Erde dermaleinst unbewohnbar geworden sein sollte, dann würden Raumsiedlungen den Fortbestand der Menschheit sichern. Doch wieder stellt sich die Frage nach dem `Warum´", so Anderl. "Sollte globaler Katastrophenschutz nicht erst einmal zu dringlicheren Schritten auf der Erde selbst verpflichten?"
Alexander Gerst hat übrigens das Kommando auf der ISS als erster Deutscher inne. Ist das schon ein neues Kapitel in der über tausendjährigen erfolgreichen Geschichte der Deutschen? Das müsste man jetzt Alexander Gauland fragen.
Alexander Gauland
Alexander Gauland© dpa

Traditionsunternehmen, das nur kurz in den roten Zahlen war

Jürgen Kaube hat an ihn aber noch ganz andere Fragen: "Der ,Vogelschiss' ist das eine", meint Kaube in der FAZ. "Das andere sind die ,über' tausend Jahre deutscher Geschichte, gegen die für Gauland der Nationalsozialismus samt seiner Massenmorde nur eine hässliche kleine Beschmutzung darstellt, die das Gesamtbild nicht stark beeinträchtigt. "Gauland", so Kaube, "scheint dabei ungefähr von den Karolingern an zu zählen. Dass Charlemagne die Sachsen bis aufs Blut bekämpfte, müsste allerdings in die Erwägung mit aufgenommen werden, was Deutschsein damals wohl hieß. Apropos ,tausend Jahre erfolgreiche Geschichte'", schreibt Kaube außerdem: "Das klingt wie aus der Broschüre zum Jubiläum eines Traditionsunternehmens, das nur einmal für zwölf Jahre in den roten Zahlen war. Gauland imitiert", so Kaube, "die Leute, die in der deutschen Geschichte immer alles auf die Staatsverbrechen nach 1933 zulaufen sehen, negativ und überbietet sie noch." Und das tut er offenbar sehenden Auges.

AfD-interne Kritik an Gauland

"Es ist erstaunlich, was ein Vogel anrichten kann", meint Lalon Sander in der taz: "Plötzlich steht die AfD nicht mehr als eine Front da, sondern ringt mit sich." "Interessant", meint Sander, werde es nämlich, "wenn ein AfDler Gauland deutlich kritisiert: Uwe Witt hat das getan. Schon in der ersten Antwort auf den Tweet schimpft ein AfD-Kollege, Witt sei ein "AfD-Umfaller". Andere fahren deutlich größere Geschütze auf: Witt sei ein "Cuck", eine in rechten Kreisen gängige rassistische und sexistische Beschimpfung, ein "Jammerlappen", und sammle "Goypunkte", eine antisemitische Beschimpfung, die darauf abzielt, Witt versuche, sich bei Juden anzudienen. "Gaulands Satz", meint Sander, "war kalkuliert komponiert, um genau diese beiden Positionen zu bedienen und zu vereinen. Für diejenigen, die die Nazis verherrlichen, sollte er signalisieren: "Schaut, wir sehen das genauso." Für andere Rechte, die eine braune Linie bei der Verherrlichung der Nationalsozialisten ziehen, ist genug Raum, um den Satz zu rationalisieren."
Salvini spricht in Mikrofone.
Der Vorsitzende der rechtsgerichteten italienischen Partei Lega, Matteo Salvini© AFP/ANDREAS SOLARO

Ende des süßen Lebens in Italien

Mit dieser Form menschenverachtend populistischer und Zwietracht säender Rede haben wir es zur Zeit geballt zu tun. In der taz berichtet Ambos Waibel aus Italien: "Kaum bekleidete Lega-Chef Matteo Salvini ein paar Stunden das Amt des Innenministers, als er schon das "Ende des süßen Lebens" für sogenannte illegale Migranten in Italien beschwor. Sie könnten ihre Koffer packen, alles würde ruhig und wohlerzogen ablaufen, "aber sie müssen gehen". Am selben vergangenen Samstag musste dann tatsächlich jemand "gehen", wie Waibel schreibt: "Soumaila Sacko, 29-jähriger sogenannter legaler Migrant aus Mali, wurde in Kalabrien von einem Unbekannten erschossen."
"Werde diesen Planeten vermissen", twitterte Alexander Gerst am Wochenende", wie die FAZ zitiert. Da oben kann man sicher auch vergessen, wie populistische Scharfmacher einem den Glauben an diesen Planeten derzeit immer wieder nehmen.
Mehr zum Thema