Aus den Feuilletons

Konsequent karnevalistisch mit Schokolade bestochen

12.02.2018, Nordrhein-Westfalen, Köln: Kostümierte Karnevalisten nehmen am Rosenmontagszug teil. Sie halten ein Banner mit der Aufschrift "Kamelle" hoch
Schluss mit Kamelle, jetzt wird gefastet. © picture alliance / Oliver Berg /dpa
17.02.2018
Auch nach Aschermittwoch hat der Karneval in den Feuilletons Spuren hinterlassen. In der "taz" werden Schunkelschlager angestimmt. Die "FAS" beschäftigt sich dagegen mit der GroKo. Ganz am Schluss gibt es den Zirkelschluss und "Christ und Welt" bereitet uns auf die Fastenzeit vor.
"Partystimmung in den Gassen, unser Motto: Hoch die Tassen!" Die Tageszeitung TAZ brachte sich Rosenmontag mit einem "traditionellen Karnevallied" in Stimmung. Am Aschermittwoch war alles vorbei. Leider.
"Wir sind im Moment in einer Übergangsphase von der Mediendemokratie alten Typs", lasen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, "hin zu einer Empörungsdemokratie; jeder kann sich nun zuschalten". Das meinte im Interview der Medienwissenschafter Bernhard Pörksen über Bewusstseinslagen und Stimmungen in nicht nur digitaler Medienhektik.
"Es gibt natürlich den skandalisierenden Übereifer, das Hochjazzen minimaler Grenzüberschreitungen. Wir haben das gesehen bei Christian Wulff. Da kümmerten sich tatsächlich drei deutsche Journalisten der 'Financial Times' um die Frage, ob Christian Wulff im Gymnasium seine Mitschüler mit After-Eight-Schokolade bestochen haben könnte, um Schülersprecher zu werden."
Das waren noch heitere politische Zeiten, als vor genau sechs Jahren der damalige Bundespräsident zurücktrat. Da hatten wir noch was zu lachen. Und heute? "Ich habe im September nicht die SPD gewählt. Die CDU allerdings im Grunde auch nicht, sondern – Angela Merkel", steht in der WELT AM SONNTAG.

Mit der neuen GroKo "nicht unglücklich"

"Ich war mit der alten GroKo zufrieden und bin auch mit einer neuen nicht unglücklich", bekennt Richard Kämmerlings – endlich mal jemand, der sich abhebt von diesem dauernden mediale Genöle über die Regierungsbildung, über den hypigen Schulz und den armen Gabriel. "Sechseinhalb Gründe, warum Sigmar Gabriel noch einmal Außenminister werden sollte", zählte die TAZ auf.
Uns reichen schon zwei: "Sigmar Gabriel hat einen schönen Wintergarten", notierte Anja Maier, "Sigmar Gabriel hat schöne Strickpullis." Danke – das war’s, würde Loriot jetzt sagen. Und wir wenden uns lieber dem sozialdemokratischen Nachwuchs zu. "Völlig unverhofft hat die Jugendorganisation der SPD eine Hauptrolle in der deutschen Politik bekommen", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, die mit dem Hardcore-Gegner einer Großen Koalition heftigst ins Gericht geht: dem Juso-Vorsitzenden.
"Kevin Kühnert hat keine Theorie. Keinen Klassenfeind. Keinen Plan", findet Jost Kaiser. "Sollten Neuwahlen kommen, und die könnten kommen, wenn Kühnert erfolgreich ist, käme die AfD in Reichweite der Sozialdemokraten: Der rechten Partei werden steigende Werte prognostiziert, die SPD käme in den pessimistischsten Prognosen auf gerade mal 16 Prozent." Und damit sind wir bei der Partei, die im Moment noch weniger Abgeordnete als die Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag hat.
"Die AfD ist nach wie vor keine gefestigte Partei", stand in CHRIST UND WELT – der Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Ich halte diese Partei nicht für so wichtig. Es gibt sie, damit muss ich leben", sagte Thomas Sternberg, CDU-Politiker und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Auf dem Katholikentag vor zwei Jahren in Leipzig war die AfD unerwünscht. Beim nächsten Katholikentag im Mai in Münster wird allerdings einer ihrer Vertreter auf einem Podium sitzen.

Podium für die Märtyrerinszenierung

"Es wird eine Veranstaltung mit allen kirchenpolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen sein, also auch mit der AfD", erklärte Thomas Sternberg im Interview. "Die AfD darf keine Gelegenheit bekommen, sich als Märtyrer zu inszenieren." Aber mehr als dieses eine Podium soll die Partei auch nicht bekommen.
"Es gibt Abgeordnete, die sich klar antisemitisch oder rassistisch geäußert haben. Doch gegen die wird innerparteilich nicht vorgegangen." Aufklärung tut Not. "Ich bin vorsichtig optimistisch", sagte da Steven Pinker. "Der momentane Aufstieg des Populismus, des Autoritären und der reaktionären Ideologien wird Gegenkräften begegnen, die es schon sehr lange gibt", meinte der amerikanische Linguist im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Der Bildung zum Beispiel. Je gebildeter die Menschen sind, desto zugänglicher sind sie den Werten der Aufklärung." Bleiben wir hoffnungsfroh.
"Sind Sportler weniger anfällig für Rassismus?", fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG. "Das glaube ich tatsächlich", antwortet Katarina Witt, einst selber Olympiasiegerin im Eiskunstlauf. "Es ist da gar nicht möglich, jemanden geringzuschätzen, bloß weil er anders aussieht. Es geht um die Leistung, die er bringt, und wenn er gut ist, hast du Respekt. Wenn du besser bist, freust du dich: noch mal Glück gehabt." Der Eiskunstlauf schafft es selten in die Feuilletons.

Das Himmelsstürmende nach unten ziehen

"Der Mensch ist nicht zum Balletttänzer und zum Superathleten geboren. Er trotzt es sich ab, mit seinem Wollen und seiner über sich selbst hinauswachsenden Zähigkeit." So beschreibt die WELT AM SONNTAG "die schönste olympische Disziplin". "Die Grazie des Schwebens, Fliegens, Dahingleitens in viel zu klobigen Schuhen, die unwillkürlich alles Himmelstürmende nach unten ziehen", hat es Manuel Brug angetan: "Schließlich der intime Moment der künstlerischen Zweisamkeit und die Nüchternheit sportlichen Wettbewerbs vor Tausenden Hallenzuschauern und Millionen vor dem Fernseher."
Und wenn ein Blick in die Feuilletons karnevalistisch beginnt – dann muss er konsequent enden. "Die Fastenzeit ist Zeit der Konzentration auf das, was im Leben wirklich trägt", bereitete CHRIST UND WELT auf die Wochen bis Ostern vor. "Wer auf Kleinigkeiten verzichtet, kann auch große Dinge angehen. Das macht demütig und dankbar zugleich", ermunterte uns Petra Bahr. "Die Welt, so traurig und schön sie ist, die Menschen, die wunderbaren, die bösen und die Nervensägen, all das rückt in die richtige Perspektive. Weltentgiftung, aber anders."Das Himmelsstürmende nach unten ziehen
Darauf einen doppelten Rittberger.
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