Aus den Feuilletons

Klassische Musik für schwierige Zeiten

04:13 Minuten
Schüler spielen im Schulorchester verschiedene Blasinstrumente
"Musik macht süchtig", sagt Leipzigs Musikhochschulrektor Gerald Fauth. © imago images / Gustavo Alabiso Kürnbach
Von Ulrike Timm · 16.09.2020
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Klassische Musik sei unverzichtbar, sagt der Pianist Gerald Fauth in der "FAZ". Er plädiert für eine stärkere Breitenförderung, schon ab dem Kindergarten. Auch Eltern könnten von der Musikbegeisterung ihrer Kinder profitieren.
"Pssssst!" heißt es in der ZEIT, mit 1, 2, 3, 4, 5 "s". Lars Weisbrod zischt gegen die sogenannte Identitätspolitik" an, die sich in Worten und Begriffen verschwurbelt und verkämpft, ohne die Gegebenheiten selber wirklich anzugehen.
"Wer die Mohrenstraße umbenennt, verändert weniger, als er hofft, denn die Wirklichkeit bleibt allen Gerüchten zum Trotz unbeeindruckt davon, wie wir sie nennen. Sprache wird maßlos überschätzt", so der ZEIT-Autor. Und weiter: "Die vermutlich einflussreichste und ganz bestimmt diskursfreudigste linke Strömung unserer Tage begreifen wir erst, wenn wir sie auf diesen Nenner bringen: Identitätspolitik ist Zeichenpolitik. Sie arbeitet sich an Symbolen ab, nicht an der Wirklichkeit."

Schweigen spart Ressourcen

Wer dieses Spiel hingebungsvoll mitspielt, verschlingt seine Ressourcen. Das sei wie Treibsand, so Weisbrod. Je heftiger man strampele, umso tiefer versinke man. Was also tun? Öfter mal gezielt die Klappe halten: "Wer nicht weiter bloß neue Zeichen über Zeichen anhäufen will, hinter denen wir dann die Wirklichkeit jeden Tag weiter aus den Augen verlieren, dem bleibt nur eine Antwort auf die Zeichenpolitik, die sich durch alle unsere Diskurse sprengt: schweigen."
Das macht die Kulturpressebeschauerin jetzt noch nicht. Sucht aber eine nichtquatschende Alternative: die Musik.
Der neue Rektor der Leipziger Musikhochschule, der Pianist Gerald Fauth, gibt der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ein langes Interview und setzt auf die Unverzichtbarkeit der klassischen Musik, gerade in schwierigen Zeiten. Er will die Breitenförderung stärken, um Musik "als Kulturgut in die Hirne und Herzen zu bringen". Schon im Kindergarten. Und vielleicht sind es die Kleinen, die ihre Elterngeneration, die man um eine musikalische Bildung oft genug gebracht hat, mitreißen. Breite und Spitze gleichermaßen zu fördern bei schrumpfendem Stellenmarkt und unsicheren Aussichten, das wird nicht leicht. Aber wie sagt der Pianist im Hochschulrektor: "Es ist einfach schön, sich mit Musik zu beschäftigen. Das macht süchtig."

Maskenspiele in Oper und Konzert

Die WELT verhandelt im Pro und Contra "die großen Maskenspiele", die in Oper und Konzert jetzt anstehen: entweder mit Maske halb- bis dreiviertelvolle Ränge oder ohne, auf Rufweite auseinandergesetzt und ein Viertel Platzausnutzung. Und während Tilman Krause mit verschnupftem "Ohne mich" reagiert, verweist Hanns-Georg Rodek auf die gerade zu Ende gegangenen Filmfestspiele von Venedig, die genau das von ihrem Publikum erwarteten: den ganzen Film durchhalten unter Mund- und Nasenschutz. Und siehe da: es geht! Staunend vermerkt er in der WELT: "Die Diszipliniertesten waren die Italiener selbst: Anlegequote nahe 100 Prozent". Jetzt freut er sich auf eine Walküre in Berlin und hält das Tragen einer Maske in Oper und Konzert nun wirklich nicht für einen heroischen Akt.
Die Kunst-Saison beginnt in Deutschland mit zahllosen Eröffnungen. Timo Feldhaus hat sich für den FREITAG in Berlin und München umgeschaut und frohlockt: "Beim Gang durch die Galerien stellt sich schnell ein Gefühl ein, das man lange nicht gefühlt hatte. Man versteht wieder, was das soll – Kunst – das ist ja eben so grandios unnütz!"

Lob für Anke Engelke

Lassen wir das letzte Wort den letzten Dingen. Anke Engelke spielt – grandios, wie FAZ und Süddeutsche Zeitung befinden – eine Trauerrednerin in der neuen Netflix-Serie "Das letzte Wort". Da heißt es schon mal: "Liebe Trauergemeinde, liebe Sparfüchse, liebe Geizhälse. Am liebsten würdet ihr eure Toten in Klopapier wickeln und für zwei Euro fünfzig verscharren." Denn die Branche ächzt wie fast alle.
Aber Anke Engelke sei allem Ulk früherer Jahre zum Trotz "eine wirklich gute Schauspielerin"SZ – und gebe, so die FAZ, "eine beeindruckend uneitle Vorstellung der letzten Dinge".
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