Aus den Feuilletons

"Ja! Ja! Ja!!"

Das Bild zeigt Frauen in Südkorea, die schwarze Plakate mit weißer Schrift "#MeToo" hochhalten.
In Südkorea demonstrieren Frauen für mehr Rechte und gegen sexualisierte Gewalt durch Männer. © Jung Yeon-je / AFP
Von Arno Orzessek · 08.03.2018
Wittgenstein war ganz schön arrogant, erfährt die "SZ" im Buch "Zeit der Zauberer", in dem sich der Philosoph Wolfram Eilenberger die deutsche Geistesgeschichte in den Zwanziger Jahren vorgeknöpft hat. Slavoj Žižek philosophiert in der "NZZ": über die Einwilligung der Frau zum Sex.
"'Das werdet ihr wohl nie verstehen'", betitelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG eine sechsspaltige Rezension. Spricht dabei aber – Sie ahnen es, liebe Hörer – keineswegs die SZ-Leser an und ihnen deshalb auch nicht die Kompetenz ab, den Artikel von Jörg Magenau zu verstehen.
Tatsächlich handelt es sich um ein Zitat. Die beiden, die den kecken Spruch einst im Original zu hören bekamen, waren keine Geringeren als der Philosoph und Logiker Bertrand Russell und sein Kollege George Edward Moore. Beide zählen zu den Vätern der analytischen Philosophie.
Und jetzt raten Sie mal: Welcher Mensch hat sich vermessen, zwei derartigen Kapazitäten ins Gesicht zu sagen "Das werdet ihr wohl nie verstehen" – und ihnen, wie es in der Überlieferung heißt, dabei generös auf die Schultern zu klopfen?

Begeisterte Rezension zu "Zeit der Zauberer"

Nun, es war Ludwig Wittgenstein am Ende seines Rigorosums an der Universität Cambridge. Wittgenstein wiederum ist neben Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger der Gegenstand des Buches "Zeit der Zauberer" von Wolfram Eilenberger.
Hier ist nicht der Platz, die Kritik des SZ-Autors Magenau zu paraphrasieren. Nur so viel: Er ist schwer angetan von "Zeit der Zauberer". "Eilenberger bewahrt das Staunen der Philosophie, nimmt aber die Ehrfurcht vor dem Unverständlichen weg", freut sich Jörg Magenau.

"Beurteile die Kunst und nicht die Künstler"

Die Tageszeitung DIE WELT titelt ebenfalls ein Zitat: "'Beurteile die Kunst und nicht die Künstler.'" Es ist die Forderung, die ein Besucher der Ausstellung "The Art World We Want" – die Kunstwelt, die wir wollen – in Philadelphia per Post-it an eine dafür vorgesehene Leiste geheftet hat. Die WELT-Autorin Iris Alanyali findet an der Ausstellung lobenswert, dass sie problematische Kunstwerke nicht nach gängiger Mode einfach abhängt, "sondern kontextualisiert".
"[Das Museum, so Alanyali] unterzieht die Werke einem Lackmustest: Können diese sich von ihrem Schöpfer emanzipieren? Behalten sie ihre Wirkung? Was passiert mit dem Porträt einer nackten Frau, wenn man weiß, dass der Maler sich womöglich eingehend nach ihren Genitalien erkundigt hat? Und weil die Antwort darauf nur lauten kann: Kommt auf die Betrachter an, auf ihren Erregungsgrad, ihr Kunstverständnis, ihr Wissen, ihre Werte und Befindlichkeiten, ist sie gleichzeitig die Antwort auf die zentrale Frage, die MeToo aufgeworfen hat: Ja, natürlich ist es möglich, das Werk vom Künstler zu trennen. Genauso wie es möglich ist, auf den Künstler gegebenenfalls trotzdem das Strafgesetzbuch anzuwenden."

Sex nur nach einem enthusiastischen "Ja"!

Klare Worte der WELT-Autorin Iris Alanyali. Noch knackiger: Die neueste These des Philosophen Slavoj Žižek, vorgetragen in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Sie lautet: "Manche Spielarten des Feminismus führen dasselbe herbei wie muslimische Fundamentalisten."
Žižek Begründung überlassen wir Ihrer eigenen Lektüre, liebe Hörer, sie ist zu wild, um sie hier kleinklein aufzudröseln. Aber was Žižek davon hält, dass Sex heutzutage nach Meinung einiger Wortführer nur noch nach einem einleitend-enthusiastischen "'Ja! Ja! Ja!!'" der Frau stattfinden darf, das wollen wir nicht verschweigen:
"Letztlich läuft diese Argumentation darauf hinaus, dass eine Frau in eine noch viel erniedrigendere Position gebracht wird. Sie muss überspitzt formuliert zugeben, dass sie von einem Mann flachgelegt werden will – im Grunde muss sie das Äquivalent einer öffentlichen Erklärung hierfür abgeben. Die Vorstellung einer Szene [gar], in der beide Partner "'Ja! Ja! Ja!'" schreien, bevor sie zur Tat schreiten, ist so nah an der Hölle, wie man im echten Leben nur kommen kann."
So der Sex-Experte Slavoj Žižek in der NZZ.
Entscheiden Sie derweil selbst, liebe Hörer, ob so eine Ja-Ja-Ja-Szene nicht bisweilen sowohl lustig als auch lustvoll sein könnte – natürlich nur diesseits aller Verpflichtungen zum Ja-Sagen.
Um diese Presseschau nun zügig zu Ende zu bringen, sagen wir nur noch die beiden Worte, die in der WELT Überschrift wurden. Sie lauten: "Schluss damit!"
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