Aus den Feuilletons

GZSZ als Trendsetter?

Schauspieler der TV-Serie GZSZ
Die Schauspieler Merlin Leonhardt (l-r), Ulrike Frank und Wolfgang Bahro aus der RTL-Fernsehserie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" am 05.07.2016 in Potsdam-Babelsberg. © picture alliance/dpa/Foto: Ralf Hirschberger
Von Hans von Trotha · 16.05.2017
Wir wissen nicht, ob es ernst oder ironisch gemeint ist, aber die "TAZ" schreibt, die Vorabendserie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" sei zurzeit "das Progressivste im hiesigen Fernsehen". Auf jeden Fall ist die Seifenoper seit 1992 ein TV-Dauerbrenner.
Der Held des Tages ist ein Mitarbeiter der Nato. Er heißt Brad Bigelow. Einmal in der Woche, erzählt Pia Ratzesberger in der SÜDDEUTSCHEN,
"setzt er sich am Abend an seinen Computer und schreibt eine Rezension für seinen Blog Neglected Books ´vernachlässigte Bücher´ … Er schreibt über Bücher … , die im einen Moment erfolgreich und im nächsten vergessen sind, aber auch über Bücher, die nie erfolgreich waren. … Die Geschichte von Brad Bigelow", schreibt Ratzesberger,
"ist auch die Geschichte eines Mannes, der versucht, das Chaos zu ordnen. … ´Ein kleiner Schritt gegen die Entropie`, sagt er".
"Entropie – das ist anspruchsvoll für Unordnung." Wird gern zitiert, wenn es um etwas Höheres geht. Solche Zitate liebt das Feuilleton. Zur Hebung des Niveaus wird da viel zitiert. Filmkritiker zitieren zum Beispiel unheimlich gern Filmtitel. "High Noon in Cannes" lesen wir in der WELT. Hanns-Georg Rodek mag es dramatisch:
"Hinter den glitzernden Kulissen kommt es zum Showdown: Amazon und Netflix wollen die Filmwirtschaft aus den Angeln heben. … Es könnte Blut fließen. Es wird Blut fließen."
Tobias Kniebe ist da in der SÜDDEUTSCHEN pragmatischer. Er erkennt "Psychospielchen am Strand" und fragt: "Leinwand versus Display – kann es immer nur einen geben, der das Recht des ersten Blicks gewinnt?"

GZSZ - Herzschmerz und kein Ende

Alles besser, als immer fernsehen zu müssen. Obwohl – in der TAZ findet Kersten Augstein, dass das gerade "Gute Zeiten für deutsches TV" seien. Klingt nach wirklich schlechten Zeiten für anspruchsvolle Zuschauer. Die überrascht Augstein mit der These:
"Seifenopern wie ´Gute Zeiten, schlechte Zeiten`… sind das Progressivste im hiesigen Fernsehen."
Fragt sich, ob das wirklich für die Serien spricht oder nicht vielleicht eher gegen das Fernsehen. Das Niveau der Seifenopern, so Augstein "beweist, dass deutsches Fernsehen nicht nur mit Stasi und Hitler erfolgreich ist".
Sondern, müssen wir daraus wohl schließen, mit Stasi, Hitler und Seifenopern.

Never Ending Story Leitkultur

Gehören die eigentlich zur Leitkultur? Kann jemand den De-Maizière-O-Ton nochmal raussuchen? Obwohl, das ist vielleicht gar nicht nötig. Die FAZ lässt nämlich den Philosophen Jens Halfwassen die Frage "Was ist Nationalkultur?" mal auf höchstem Niveau begrifflich klären. Und der meint:
"Die Forderung nach einer deutschen Leitkultur leidet an einer Unschärfe. Nationalkulturen sind keine Inseln. Der Zusammenhang von Staat, Nation und Kultur muss klarer gefasst werden."
Und das ist nicht so einfach, wie Herr de Maizière denkt.
Beim Berufsphilosophen Halfwassen kann man immerhin sicher sein, dass er richtig zitiert. Das ist keineswegs überall so. Wenn Tim Caspar Boehme etwa in der TAZ fragt: "Soll man über Cannes schreiben?" und sich darauf selbst antwortet:
"Die Frage stellt sich in dieser Form eigentlich nicht so recht. Wenn man hinfährt, gilt vielmehr, streng nach Kant: Man kann, denn man soll",
dann stellt sich die Frage, ob er den Kantischen Kategorischen Imperativ, der tatsächlich irgendwie so ähnlich klingt, wirklich verstanden hat, oder ob er nicht doch lieber hätte schreiben sollen: Leute, ich hab eigentlich keinen Bock, aber irgendwas wird mir schon einfallen, wenn ich noch länger am Strand liegen bleibe.

Hesse, Zauber und Macron

Ja, und dankenswerterweise weist Gerhard Matzig in der SÜDDEUTSCHEN noch darauf hin, dass auch Angela Merkel nicht alles zitieren sollte, was ihr ein Redenschreiber hinlegt. Und wir dürfen nicht immer glauben, was die Zeitungen zitieren:
"Ob der Zauber", schreibt Matzig, "´jedem Anfang` innewohnt (Tagesspiegel) oder ´allem Anfang` (Bild): Jedenfalls hat Angela Merkel den französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Montag in Berlin mit einem Hesse-Zitat beglückt. Könnte man denken",
so Matzig, "würde dem Anfang lediglich ein Zauber – und dem Zauber nicht auch noch eine gelinde Perfidie innewohnen. Denn Hermann Hesses Gedicht ´Stufen`"
Matzig nennt es den "Helene-Fischer-Song unter den jambischen Fünfhebern – … handelt nicht nur vom Anfang, sondern zunächst vom Ende … Generationen von poetisierenden 15-Jährigen", so Matzig,
"haben sich mit Hesses Hilfe, in der sich das Entraffen auf das Erschlaffen reimt, bereits entrafft – von Freund oder Freundin nämlich. ´Stufen` ist die perfekte Schlussmach-Lyrik".
Na dann.
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