Aus den Feuilletons

Das Fernsehen ist tot!

04:13 Minuten
Das Bild zeigt einen Mann, der in der Dämmerung raucht und auf sein Smartphone guckt.
Immer dabei, egal, wo man ist: Das Smartphone mit Streamingdiensten. © imago / Westend61
Von Hans von Trotha · 13.06.2019
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Die Feuilletons widmen sich dem bewegten Bild. Es geht ums Streaming, um einen neuen Dienst auf diesem Feld von Steven Spielberg und um neue Folgen der deutschen Politserie Eichwald, MdB.
Gehen Sie noch ins Kino? Oder schauen Sie etwa – ich muss Sie das fragen – noch fern? Und, ach ja – was haben Sie eigentlich gemacht, als Sie das letzte Mal an einer Bushaltestelle gewartet haben?
Patrick Heidmann hat für die Süddeutsche Zeitung Nicolas Winding Refn getroffen, den Regisseur der Amazon-Serie "Too Old to Die Young". Heidemann erinnert daran, dass Winding Refn "schon vor Jahren (sagte), dass Kinofilme auch auf dem Smartphone funktionieren müssen. Glauben Sie nicht mehr ans Kino?", fragt Heidmann den Regisseur.

Das Fernsehen ist mausetot

"Ums Kino sollten wir uns keine Sorgen machen", erwidert der. "Das Kino wird überleben. Das Fernsehen dagegen ist mausetot. Ich sehe kein herkömmliches Fernsehen mehr", sagt Winding Refn, "meine Frau und Kinder auch nicht. Wir streamen, wann und wo wir wollen, mit Unterbrechungen, die wir selbst bestimmen." Streaming sei "die Weiterentwicklung des Fernsehens, kombiniert mit dem Besten des Kinos."
Also keine 90-minütigen Filme mehr, die aus den klassischen drei Akten bestehen? "Doch", meint Winding Refn, die werde es immer geben. Er hoffe nur, "dass wir in zehn Jahren nicht mehr so sklavisch daran festhalten, dass Filme ausschließlich so auszusehen haben. Gerade", sagt er, "ist ja überall von short content die Rede, so als sei das der neue Heilsbringer. Doch (er) glaube nicht, dass es dem Publikum prinzipiell um das Format geht. Vermutlich (sei) nur der Großteil der längeren Videos und Filme zu langweilig."

Quibi: Noch ein Streamingdienst

Das scheinen Steven Spielberg und Jeffrey Katzenberg, die einst zusammen das Studio Dreamworks gegründet haben, anders zu sehen. "Wenn jetzt alle ihren eigenen Streaming-Dienst haben, dann will Jeffrey Katzenberg auch einen", vermeldet dieselbe Süddeutsche.
"Quibi soll der neue Dienst heißen, kurz für Quick Bites, also kleine Häppchen. Als Katzenberg den Plan in Los Angeles vorstellte, war eine der Begründungen, warum Quibi so einzigartig sein werde, dass der Dienst tatsächlich aufs kleine Format, Smartphone und Tablet, abzielen werde. Und es wird dort zwar lange Filme geben – aber eben in Häppchen, die bis zu zehn Minuten dauern, zusammen ergeben sie aber einen ganzen Film", so die Süddeutsche.

Eine Horrorserie von Spielberg

"Eines der ersten Projekte wird eine Horrorserie von Steven Spielberg werden, und neue Technologie wird es ermöglichen, dass die einzelnen Häppchen, man könnte", kommentiert die Süddeutsche, "sie auch Folgen nennen, nur bei Nacht abrufbar sind. Das wäre dann fast so etwas wie eine Sendezeit." Also doch noch "Fernsehen, bloß kleiner?", fragt die Süddeutsche, sorgt sich aber längst um etwas ganz anderes, nämlich: "Wie viele Abos kann ein einzelner Zuschauer eigentlich haben?"
Immerhin verspricht Finn Mayer-Kuckuck in der taz unter der Überschrift "Warten aufs Streamen": "Das Surfen unterwegs mit 5G sollte schneller sein als bisher zu Hause. Wer an der Bushaltestelle steht und sich langweilt, kann damit auf jeden Fall eine Serienfolge von Netflix in guter Qualität abrufen."

Gucken, wo man geht und steht

Brauchen wir nur noch Serien von guter Qualität, die wir in guter Qualität an der Bushaltestelle abrufen können. Aber selbst da verbreitet das Feuilleton nachgerade so etwas wie Hoffnung:
"Das deutsche Fernsehen kann ja eigentlich weder Politik noch Comedy", meint Johanna Roth in der taz. Umso erstaunlicher findet sie, dass Eichwald, MdB "beides vereint – und dann auch noch gut. Am Ende", meint Roth, "hat wohl jedes Land die Polit-Serie, die es verdient. Die Amerikaner haben House of Cards, die Dänen haben Borgen, wir haben Eichwald, MdB."

Neue Politserie: Eichwald, MdB

Wobei David Denk in der Süddeutschen der Meinung ist, die Serie sei "Tom und Jerry näher als House of Cards". Jan Freitag erkennt im Tagesspiegel immerhin "ein wenig Esprit im Minenfeld exekutiven Entertainments", und Heike Hupertz findet in der FAZ, die Serie sei "wie ein gallisches Dorf im Römergebiet – unterschätzt, aber schwer zu schlagen.
Die zweite Staffel" gehe, "mehr noch als die erste, dahin, wo es im Politbetrieb gerade im Argen liegt." Was die FAZ derart elegant formuliert, lässt die taz derber krachen, wenn Johanna Roth MdB Eichmann als "Schmalspurchauvinisten mit Herz" würdigt, "der zwar auch keine Ahnung hat, aber es wenigstens mal versucht. In dieser Serie", so Roth, "springt einem der deutsche Parlamentarismus quasi mit nacktem Arsch ins Gesicht. Und", Roths Fazit, "das ist derzeit die vermutlich einzige Art, ihn zu ertragen."
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