Aus den Feuilletons

Gesperrt und wieder entsperrt: "Titanic" lässt AfD-Politikerin twittern

Die stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Beatrix von Storch gestikuliert am 01.05.2016 beim AfD-Bundesparteitag in Stuttgart.
Provoziert gern mal auf Twitter: AfD-Politikerin Beatrix von Storch. © Marijan Murat/dpa
Von Klaus Pokatzky · 05.01.2018
Humor scheinen die Sperrbeauftragten bei Twitter nicht zu haben, mutmaßt die "FAZ". Der Kurznachrichtendienst hatte das Benutzerkonto des Satiremagazins "Titanic" für 48 Stunden gesperrt. Die "Titanic" hatte unter dem Namen der AfD-Politikerin Beatrix von Storch satirische Beiträge getwittert.
"An diesem Sonnabend ist Dreikönigstag", ruft uns die BERLINER ZEITUNG in Erinnerung. "Das Fest geht auf eine Stelle im neutestamentlichen Matthäus-Evangelium Zurück", schreibt Dirk Pilz, "wo es heißt, dass Weise (wörtlich: Magier) aus dem Morgenland nach Jerusalem kamen, um nach dem neugeborenen König der Juden zu suchen." Unser Jesus hatte eben schon als Baby keine Probleme mit Migranten.
"‘Titanic darf wieder twittern", erfahren wir aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG – nachdem das Satiremagazin ja Ärger bekommen hatte, weil es unter dem Namen der AfD-Politikerin Beatrix von Storch satirische Beiträge getwittert hatte. Die twittert aber lieber selber. "Die AfD-Bundestagsabgeordnete Storch hatte sich bei Twitter über einen arabischsprachigen Tweet der Kölner Polizei zu Silvester geärgert", steht in der BERLINER ZEITUNG, "und laut Medienberichten von 'barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden' geschrieben". Frau von Storch soll evangelische Christin sein. Das ist jetzt aber nicht getwittert. Das sagt sie tatsächlich von sich selber.

Fehlen uns Träume, Visionen und Utopien?

"Das Netzwerkgesetz bleibt", klagt die FRANKFURTER ALLGEMEINE über die formale Rechtsgrundlage für die titanische Twittersperre. "Es soll eigentlich die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken erleichtern – aber welches Recht wird da durchgesetzt, wenn als allererste Konsequenz die Redaktion eines Satiremagazins aus ihrem Twitteraccount gesperrt wird?", fragt Andrea Diener. "Damit gesperrt wird, muss der Tweet nur von einem Nutzer gemeldet werden, der sich an ihm stört. Das Internet ist bekanntlich voller Menschen, die sich an etwas stören. Dann entscheidet Twitter, ob der Tweet mit den Gesetzen vor Ort zu vereinbaren ist oder nicht, und muss ‚offensichtlich strafbare Inhalte‘ innerhalb von 24 Stunden sperren. Soweit man weiß, schulen soziale Netzwerke ihre Sperrbeauftragten nicht in Sachen Humorkompetenz." Also träumen wir lieber mal.
"Was fehlt, sind die Träume", lesen wir im SPIEGEL. "Was fehlt, so scheint mir, sind die Visionen oder Utopien, wie es hinter dem Horizont weitergehen könnte. Was fehlt, sind die Kulturtechniken, das Neue zu sehen", schreibt Georg Diez. "Wir brauchen das Träumerische wieder!", ruft da auch der österreichische Schriftsteller Robert Menasse: "Das aber erfahrungsgesättigt ist. Das war ja die Stärke der Gründergeneration." Damit meint er die einstigen Träume von einem vereinten friedlichen, demokratischen Europa. Und heute? "Der Nationalismus ist halt ein Nervengift", sagt Robert Menasse im SPIEGEL-Interview: "Das tröpfelt in die Köpfe der Menschen ein, die eine Sehnsucht haben nach einem Wirgefühl, und sei es auch fiktional."

Was wir nächstes Jahr tragen sollten

Ganz real ist da die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Das Zeitgeschehen ist ein Zufallsprodukt unendlich vieler Strömungen und Einflüsse", meint Rolf Dobelli. "Es funktioniert eher wie Strassenverkehr als wie ein einzelnes Auto. Niemand dirigiert es." Das alles klingt dann eher schon nach Albträumen.
"Die zweitschönste Nebensache der Welt" soll daher lieber unser Thema sein – nämlich, was wir so am Körper tragen. "Ich bin eine neugierige Person, im Leben, in der Musik und in der Mode", erzählt der Pianist Jean-Yves Thibaudet. "Ich liebe alles Asiatische, das hat bequeme Schnitte, der Stehkragen ist herrlich, gerade beim Spielen", gibt er uns im Interview mit der Tageszeitung DIE WELT die Kleidertipps fürs neue Jahr. "Und man kann die Jacketts so wunderbar zu Jeans oder Smokinghose tragen. Diese Mode ist sehr minimalistisch, man kann aber mit bunten, extravaganten Stoffen flashen. Außen nur ein feines Samtgrau, und das Innenfutter explodiert dann in Seidenorange oder Apfelgrün."
Flashen wir 2018.
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