Aus den Feuilletons

Frauen drehen Pornos

"Sex" als drei Tasten einer PC-Tastatur
Die meisten der anspruchsvolleren Beiträge des Pornfilmfestivals wurden von weiblichen Filmemachern produziert. © picture alliance / dpa
Von Gregor Sander · 26.10.2014
Ein Blick in die Kulturressorts der Zeitungen offenbart, wie Frauen das Berliner Pornfilmfestival prägen und männliche Konzernchefs die Welt zugrunde richten. Und dann ist noch die Rede von einer Theaterhoffnung – natürlich einer weiblichen.
Orgien finden im Kopf statt titelt das Feuilleton der Tageszeitung DIE WELT, um dann in seinem Aufmacher genau das Gegenteil zu beweisen: Im avancierten pornografischen Film, nicht nur im lesbischen, sondern auch im heterosexuellen, der in dieser Szene auf eine gnädige Weise Artenschutz genießt, ist der weibliche Körper längst vom Lustobjekt zum Lustsubjekt geworden, schreibt Eckhard Fuhr über das 9. Pornfilmfestival, dass gerade in Berlin stattfand.
Amouröse Heldentaten eines Pummelchen
Wenn der Eindruck nicht täuscht, so Fuhr, waren Frauen im Publikum leicht in der Überzahl. Bei den Pornofilmautoren sind sie es deutlich. Der anspruchsvolle, ästhetisch avancierte und experimentierfreudige pornografische Film ist fest in weiblicher Hand. Und so es ist auch im Favorit des Festivalberichts der WELT mit dem Titel "Put the Needle on the Record": Vier junge lesbische Frauen bekiffen sich, was das Zeug hält. Eine der Frauen, ein Pummelchen mit dicker Brille, erzählt, wie sie Samanta verführte, die Unerreichbare, mit der alle ins Bett wollten. Die Erzählung verfehlt ihre erotisierende Wirkung nicht. Während das Pummelchen mit seinen amourösen Heldentaten prahlt, kommt es zwischen zwei anderen Frauen zu einer etwas slapstickhaften sexuellen Begegnung auf dem Fußboden, bei der die Kleider am Leib bleiben, der Orgasmus aber echt ist, wie die Regisseurin versichert. Leider vergisst Eckhard Fuhr den Namen dieser Regisseurin zu erwähnen, was vielleicht daran liegt, dass Pornografie doch kein übliches Feuilletonthema ist.
Um Männlichkeit und Weiblichkeit dreht sich auch das neue Sachbuch von Karin Duwe, das den Titel "Warum die Sache schief geht" trägt. Der Berliner TAGESSPIEGEL fasst es so zusammen: Der Planet geht kaputt, und die Politik tut nichts dagegen. Das liege, laut Duve, unter anderem daran, dass die meisten Konzernchefs Männer seien und im klinischen Sinne Psychopathen. Was Gunda Bartels vom TAGESSPIEGEL zu folgender Frage bringt: Sie glauben wirklich, was Sie schreiben: "Frauen sind die besseren Menschen"?
The show must go on
Duwes Antwort lautet: Ja. Und in Wirklichkeit wissen das auch alle. Wenn irgendwo ein Bushäuschen zerstört ist, dann geht jeder davon aus, dass das ein junger Mann gewesen ist. Die Zahlen sind international gleich: Rund 95 Prozent der Gefängnisinsassen sind Männer.
Unter den Theaterintendanten gibt es auch nicht allzu viele Frauen. Karin Bergmann ist sogar die erste Intendantin am Wiener Burgtheater und steht daher auch unter besonderer Beobachtung, wie die Premierenkritik von Christine Dössel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zeigt: The show must go on. Alles also wie immer im altehrwürdigen Haus.
Nur dass später, nach dem betont wohlwollenden Schlussapplaus, nicht der durch seine Körpergröße stets alle überragende Matthias Hartmann durch das obere Premierenfoyer wandelt, sondern seine nun offiziell bis 2019 bestallte Nachfolgerin: Karin Bergmann. Sie trägt zur ersten Premiere ihrer "Ära" das kleine Schwarze und wäre im Gedränge wohl gar nicht so leicht auszumachen, würde sie nicht an der Seite des österreichischen Kulturministers Josef Ostermayer die Räumlichkeiten betreten. Theater wurde im Übrigen auch gespielt. Jan Bosse inszenierte Dantons Tod, wie Kerstin Holm in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet: Büchners Danton, der Alpha- und Genussmensch, der plötzlich alles satt hat, steht bei Bosse in jeder Hinsicht neben sich.
Den massigen Volkshelden lässt er von dem athletische Lulatsch Joachim Meyerhoff verkörpern, der sich für die erotischen Eskapaden seines Helden einen Tuntenhabitus zulegt. Er tritt auf im harlekinesken Seidenmorgenmantel, als habe er seine eigentliche Vorstellung bereits hinter sich. Die Kritikerin der FAZ scheint ganz zufrieden, wenn sie mit den Worten: Anerkennender Applaus endet. Während ihre Kollegin von der SZ über diesen Danton urteilt: Das Schafott wartet, die Geschichte kennt kein Happy-End. Ewiger trauriger Kreislauf, bei Bosse leider: ein Leerlauf.
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