Aus den Feuilletons

Feuchte Augen, erklärte Witze und verunglückte Belehrungen

Mon coeur t appelle de CarmineGallone et Danielle Darrieux im Film "Mon coeur t'appelle" (1934)
Danielle Darrieux im Film "Mon coeur t'appelle" (1934) © imago stock&people
Von Tobias Wenzel · 28.04.2017
Trump im Feuilleton? - Die SZ macht's möglich. Die Welt setzt da noch einen drauf und spendiert ihren Lesern einen Aufklärungstext über die wirklich einzige angbetungswürdige französische Schauspielerin. Und die FAZ versucht publizistisch mitzuziehen, aber versagt.
"Es gibt sie noch, die Menschen, denen man nur ein paar Namen hinwerfen muss, und schon werden ihre Augen feucht", schreibt in der WELT Tilman Krause, zählt sich selbst offenbar zu diesen Menschen und wirft dann dem Leser vor allem einen Namen hin: Danielle Darrieux. Am 1. Mai wird die französische Schauspielerin 100.
Krause erwähnt ihren "stets leicht ins Sarkastische spielende[n] Charme" und ihre "ganz spezifische Aura […], die nur zustande kommt, wenn perfekt beherrschtes Schauspielerisches Handwerk sich mit sicherem Auftreten und seelischer Vornehmheit paart". So etwas gebe es heute nicht mehr. "Isabelle Huppert oder Nina Hoss, um nur diese beiden Heutigen zu nennen, mögen großartige Schauspielerinnen sein. Sie mögen uns bisweilen sogar rühren […]. Aber es ist nie das. Es hat nie jenes unnachahmliche je ne sais quoi."

Die Süddeutsche erklärt Witze

Lassen wir den Mann unter den Tisch fallen und begeben uns von Tilman Krause von der WELT zu Till Krause von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Der hat den Cartoonisten und scheidenden Cartoon-Redakteur des "New Yorker" Bob Mankoff interviewt. Krause stellt eine Frage zu einem Cartoon aus dem "New Yorker": "Darin erhebt sich ein Passagier im Flugzeug und sagt zu seinen Mitreisenden: 'Ich glaube, diese eingebildeten Piloten haben den Bezug zu einfachen Passagieren wie uns verloren. Wer findet, ich sollte das Flugzeug steuern?‘ – und viele Mitreisende heben die Hand. Könnten Sie erklären, was diesen Witz so erfolgreich macht?" Und Bob Mankoff antwortet: "Der Witz funktioniert wie ein rhetorischer Kniff: Er verspottet einen Gedanken, in diesem Fall die Wahlkampfversprechen von Donald Trump, so elegant, dass man irgendwie dumm wirken würde, wenn man dem Witz widersprechen würde."
Wer noch mehr Lust auf Trump im Feuilleton hat und erfahren möchte, wieviel er liest und warum er Adrian Lobe an eine bestimmte Romanfigur erinnert, an "einen geistig zurückgebliebenen Mann, der die Außenwelt nur über den Fernseher wahrnimmt", möge in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den entsprechenden Artikel lesen.

Broder stolpert über sein rhetorisches Schuhwerk

Für den bleibt in dieser Feuilletonschau nämlich keine Zeit. Denn Henryk M. Broder hat wieder in der WELT geschrieben. Dieses Mal über peinliche sprachliche Fehlgriffe in den Medien, zu den Themen Judentum und Holocaust. Er verweist unter anderem auf einen Artikel, den Sigmar Gabriel kurz vor seiner Israelreise in der "Frankfurter Rundschau" und der "Berliner Zeitung" veröffentlicht hat. Broder zitiert daraus: "Sozialdemokraten waren wie Juden die ersten Opfer des Holocaustes. Die einen waren Opfer politischer Verfolgung, die anderen des Rassenwahns."
Broder stört sich einerseits daran, das Gabriel das Schicksal der verfolgten Sozialdemokraten mit dem der Juden auf dieselbe Ebene hebt. Andererseits verweist Broder auf den sprachlichen beziehungsweise terminologischen Fauxpas: Politisch verfolgte, im KZ ermordete Sozialdemokraten (die ja nicht alle Juden waren) können per definitionem natürlich nicht alle Teil des Holocausts gewesen sein. Das hat Broder zu Recht aufgezeigt. Allerdings lässt er selbst die Genauigkeit und Redlichkeit vermissen, die er von anderen einfordert. So erwähnt er auch die Kolumne von Jakob Augstein bei "Spiegel online", in der Augstein behauptet habe, "jemand sollte dem israelischen Ministerpräsidenten 'beibringen, wo der Unterschied zwischen Demokratie und Autokratie liegt'". Dann habe Augstein Gabriel gelobt, weil der "die Aufgabe mit Bravour bewältigt" habe. Kommentar von Henryk M. Broder zu den Worten von Jakob Augstein, den er auch schon mal als "Antisemiten" beschimpft hat: "Der ewige Erzieher macht sich für den Einsatz bereit und schlüpft in seine blank geputzten Stiefeletten." Nun also assoziiert Broder Augstein mit einem Nazi! Und zerstört damit seinen eigenen Artikel für die WELT.
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