Aus den Feuilletons

Ein Nichts an Information groß aufbereitet

Von Tobias Wenzel · 01.02.2014
In den Feuilletons dreht es sich um Nazis und normale Menschen - wobei der eine "normale" Mensch im Rausch zum Mörder wurde. Und die TAZ gibt Tipps zum Schlagabtausch zwischen Vegetariern und Fleischessern.
"Entsagst du dem Teufel? Und jeder Teufelsgilde? Und allen Teufelswerken und -worten?", wurden die heidnischen Sachsen gefragt, damals, von den Truppen, die Karl der Große geschickt hatte. An diesem Dienstag vor 1200 Jahren starb er. Johan Schloemann erinnerte in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG an den Mann, der mit dem Papst ein Bündnis schloss und so das Weltliche eng mit dem Christentum verknüpfte und folgerichtig den Ungläubigen ein Glaubensbekenntnis abverlangte. Schlechte Zeiten für Atheisten und Teufelsanbeter waren das. Und damit willkommen zu einer Feuilleton-Woche mit Menschen, Tieren, Sensationen. Oder vermeintlichen.
Du Nazi! In Bayern und Österreich sei dieses Wort in der Bedeutung „Depp“ oder „Horst“ schon lange gebräuchlich, berichtete Matthias Heine in der WELT. Nazi sei hier die Kurzform des Namens Ignatius. Nazi, als Kurzform von Nationalsozialist, sei dagegen das „populärste deutsche Wort der Welt“. Auch in Israel. Da wolle das Parlament nun ein Gesetz beschließen, das die beleidigende Verwendung des Wortes verbiete. Wer dann trotzdem Nazi so gebraucht, dem drohen ein halbes Jahr Haft und rund 20 000 Euro Bußgeld. Nur wozu solch ein Gesetz gerade in Israel?
"Der Grund dafür ist“, erklärt Matthias Heine, „dass ultraorthodoxe Gruppen und radikale Siedler ihre politischen Gegner und die Sicherheitskräfte zunehmend häufig als Nazis beschimpfen". Das, so die israelischen Politiker, sei den Holocaust-Opfern nicht mehr zuzumuten. Im englischen Sprachraum wird das Wort Nazi auch in der Bedeutung „Fanatiker“ gebraucht. Der WELT-Autor ist entzückt über den Fund aerobic nazis („Fitness-Fanatiker“) im Oxford English Dictionary.
Von den Nazis fasziniert
Überhaupt sind die Mitarbeiter der WELT gerade richtig fasziniert von den Nazis, fast so wie einst die STERN-Redaktion von den Hitler-Tagebüchern, die sich bekanntlich später als liebevoll-dilettantische Fälschung erwiesen. Daran muss auch Willi Winkler von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG denken. Er findet es lachhaft, wie die WELT AM SONNTAG die Bedeutung der aufgetauchten Korrespondenz von Heinrich Himmler bewertete: "Himmler – Handschrift eines Massenmörders".
Jacques Schuster sprach in der WELT von einem "gehobenen Schatz". Eine Sensation also. Willi Winkler von der SZ aber zitierte aus den Briefen Himmlers: "Ich fahre nach Auschwitz. Küsse, Dein Heini" und "Wir sahen all die Bilder, die Häftlinge gemalt hatten. Wunderbar."
"Himmler war, kaum zu glauben, ein Mensch", platzte Winkler der Kragen, "schrieb literarisch bedeutungslose Briefe an seine Frau und erzählte, Wunder über Wunder!, zu Hause nichts von der Arbeit. Man muss schon mit einer gusseisernen Naivität gesegnet sein, um das für die Sensation zu halten, unter der die Geschwisterblätter WELT und WELT AM SONNTAG dieses Nichts an Information und Erkenntnis aufbereiten."
Die Frau im Rausch erschossen
Jetzt aber Schluss mit den Nazis. Es gibt ja auch noch normale Menschen. William S. Burroughs zum Beispiel, der in der kommenden Woche hundert geworden wäre. Gut, der hat seine Frau erschossen. Aber wer ist schon perfekt? Außerdem befand er sich bei der Tat im Rauschzustand. Daran erinnert Georg Diez im neuen SPIEGEL und zitiert aus der nun erschienenen Ausgabe mit Briefen des US-amerikanischen Schriftstellers und Bürgerschrecks.
So berichtete Burroughs in einem Brief vom 8. April 1961 davon, wie die giftige Blütenpflanze "Prestonia" auf ihn wirkte: "Das völlige Alptraum-Halluzinogen. Eine Reise in die Öfen wie weißglühende Bienen durch Fleisch und Knochen und alles, aber ich war nur dreißig Sekunden in den Öfen, für einen Goi ziemlich gut sagten sie und führten mich auf einem sehr kleinen Planeten herum und dieser rothaarige jüdische Agent von Hassan Sabbah, du weißt schon, war mein Führer. Und das alles im Kampf mit der Grünen Krake."
Auch Boris Pofalla von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG hatte wohl gerade diese Droge eingeworfen, als er schrieb: "Wenn man Burroughs dieser Tage von der NSA erzählt, dann fällt er vor Lachen beinahe aus dem Schaukelstuhl." Kurz darauf aber ahnt man, warum der Journalist den Toten leben lässt. Denn sein Artikel endet mit einem Zitat Burroughs, in dem die Toten gar nicht so tot sind: "Die Toten kümmern sich um ihren eigenen Kram. Das haben sie den Lebenden voraus."
"Du bist doof!"
Der Kollege vom SPIEGEL teilt allerdings die Meinung, dass Burroughs den NSA-Skandal, der auch in dieser Woche wieder einmal in den Feuilletons hochschwappte, in gewisser Weise schon vorausgesagt hat. Am 3. November 1969 schrieb er in einem Brief: "In meinen Augen besteht die wahre Bedrohung der Freiheit in computergestützter Gedankenkontrolle und nicht in etwas so Bizarrem und Altmodischem wie SA-Männern."
Die TAZ hat verstanden und folgt dem Revolutionär Burroughs. Am Freitag rief sie in der ihr eigenen Art, einer Mischung aus Ernsthaftigkeit, Wahnsinn und Nonsens, zum bewaffneten Kampf gegen die Überwachung und für Edward Snowden auf. Im selben Feuilleton gaben zwei TAZ-Autorinnen Tipps für den verbalen Schlagabtausch zwischen Vegetariern und Veganern auf der einen und Fleisch-, also Tieressern auf der anderen Seite. Vegetariern empfahlen die beiden folgende Sätze zum Angriff: "Mörder!" und "Iss doch gleich Kinder!" Und die Fleischesser rüsteten sie aus mit: "Hitler war Vegetarier!" und "Du isst meinem Essen das Futter weg". Und dann noch ein Spruch für beide Lager: "Ach Menno! Du bist doof!"