Aus den Feuilletons

Ein Fernsehfilm, wie es noch keinen gab

Michel Houellebecq in einer Szene des Films "To Stay Alive - A Method" von Erik Lieshout, 2016
"Unterwerfung" von Michel Houellebecq gibt es jetzt auch im Fernsehen © Erik Lieshout, Contactfilm, Arnhem
Von Adelheid Wedel · 05.06.2018
Die Fernsehverfilmung von Houellebecqs "Unterwerfung" mit Edgar Selge begeistert den TAGESSPIEGEL. Die FAZ beschäftigt sich mit moderner Kunst im arabischen Raum, die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit der wohl wichtigsten arabischen Sängerin aller Zeiten.
Provokation zur besten Sendezeit: "Unterwerfung" nach dem Roman von Michel Houellebecq ist brisantes, forderndes Fernsehen mit dem Intensivschauspieler Edgar Selge in der Hauptrolle: So kündigt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die Ausstrahlung des neuen Films im Abendprogramm des Ersten an diesem Mittwoch an. Der TAGESSPIEGEL findet ähnliche Töne. Peter von Becker nennt das Werk ein ungewöhnlich mutiges Fernsehabenteuer, eine künstlerische Grenzüberschreitung.

Wahnsinniges Wechselspiel

Und die Tageszeitung DIE WELT lobt einen Fernsehfilm, wie es so noch keinen vorher gab, ein geradezu wahnsinniges Wechselspiel aus Romanadaption, Theaterfilm, Schauspielerfilm und Feature.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG sprechen Edgar Selge und sein Neffe Titus Selge, der Regie führte.
Es ist eine Geschichte, so Titus Selge, die von einem Schauspieler handelt. Wir sehen, wie er zur Arbeit geht und spielt, dann springen wir in seinen Kopf und sehen, was er erzählt. Das Hin und Her zwischen Bühne und Film verdichtet sich, bis die Grenzen verschwimmen.
Zur Wirkung des Textes sagt sein Onkel: "Für mich fragt er: Wie hältst du es mit der Religion, wie hältst du es mit deiner Kultur und deiner Tradition?" Der Roman von Houellebecq spielt im Jahr 2022, vor lauter Angst vor der Machtergreifung des Front National hat Frankreich die neue Partei der Muslimbrüder gewählt, Frankreich wird eine islamische Republik.

Moderne Kunst in der arabischen Welt

Für Aufregung, laut FAZ sogar für Furor, sorgt ein Buch über Texte zur modernen Kunst der arabischen Welt, herausgegeben vom New Yorker Museum of Modern Art. Vor kurzem wurde es in Beirut vorgestellt und gefeiert als ein Werk, auf das man jahrelang gewartet habe. Fünfhundert Seiten und gut einhundert Texte zeigen, welche Gestalten die Moderne als kunstgeschichtliche Epoche in der arabischen Welt annahm.
Die drei amerikanischen Kunsthistorikerinnen Lenssen, Rogers und Shabout stießen bei der Quellenforschung auf besondere Probleme, zum Beispiel: Es gibt nur wenige Archive und kaum bibliografische Systeme, ein vergleichsweise dünnes Netz an Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie zuweilen schlichtes Unverständnis für die Nöte von Autoren, die auf der Suche etwa nach einem Copyright sind.
Viele Arbeiten befinden sich außerdem in privaten Sammlungen, die nirgends registriert sind. Bei der Buchpremiere in Beirut meinte der Direktor des MoMA Glenn D. Lowry, er wolle das Buch als einen Anfang, eine Einladung zum Selbstdenken und Weiterforschen verstanden wissen.

Panarabischer Mythos und Nationalheilige

Die amerikanisch-iranische Künstlerin Shirin Neshat hat einen Film über die ägyptische Sängerin Oum Kulthum gedreht. Sie war der größte Star, den die arabische Welt kannte, schreibt Sonja Zekri in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Sie hatte Anhänger in Iran, selbst in Israel, aber nirgends wurde sie so rasend verehrt wie in den Kaffeehäusern von Kairo oder Casablanca.
Wenn ihre Stimme aus dem Radio erklang, jeden Donnerstag 17.00 Uhr, waren die Straßen wie leer gefegt. Sie sang religiöse, poetische, später auch patriotische Lieder. Sie war ein panarabischer Mythos, eine Nationalheilige, deren Glanz unter König Faruk groß war, nach dessen Sturz unter Gamal Abdel Nasser überlebensgroß erstrahlte und nach der Niederlage im Sechs-Tage-Krieg fast existentielle Züge annahm.

Biografie über Ruth Hellberg

Endlich gibt es eine Biografie von Ruth Hellberg, schreibt Helmut Mauró, ebenfalls in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Sie spielte unter Max Reinhardt, wohnte bei Gründgens, kannte Brecht gut.
"Ich jammere nicht, ich schimpfe" heißt die von dem Theaterwissenschaftler Thomas Blubacher geschriebene Biografie, in der es von Prominenz nur so wimmelt. Mauró lobt in seiner Rezension: Der Autor findet für Ruth Hellberg den richtigen Tonfall zwischen Empathie und wissenschaftlicher Distanz und ehrt so die Künstlerin.
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