Aus den Feuilletons

Ehrentitel für einen bedeutenden Horrorfilmer

Der Regisseur George A. Romero 2005 während der Premierefeier des Zomie-Films "Land of the Dead".
Der Regisseur George A. Romero 2005 während der Premierefeier des Zomie-Films "Land of the Dead". © imago / xVaughnxYoutzx
Von Ulrike Timm · 17.07.2017
Die Feuilletons sind sich einig, dass die Horrorfilme des verstorbenen Regisseurs George Romero vom Zeitgeist erzählen. Für die "Welt" ist der Zombiefilmklassiker "Night oft the Living Dead" gar ein Bürgerrechtsfilm. Und in der "TAZ" geht es mehr ums Kannibalische.
"Der Höllenvisionär", "Der Mann, der Zombies zu Nachbarn machte", "Friss oder stirb" und – am schönsten – "Welkes Fleisch vergeht nicht"! Wenn ein bedeutender Horrorfilmer stirbt, dann macht das Schreiben von Würdigungen offenbar Vergnügen. Wir dürfen davon ausgehen, dass Filmregisseur George Romero diese Überschriften für Ehrentitel nähme, er ist im Alter von 77 Jahren gestorben.
"Würden Sie diesem freundlichen älteren Herrn ein schreckliches Blutbad abkaufen?" fragt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, und gibt ihrem Nachruf auf George A. Romero sein bekanntestes Portraitfoto bei: verschmitzt grinsend hinter einer schwarzen Brille, die gut das halbe Gesicht bedeckt. Alle Feuilletons sind sich sicher, dass die schlurfenden Untoten, die Romeros Zombiefilmklassiker "Night oft the Living Dead" bevölkern, viel vom Zeitgeist der Lebenden erzählen: für die WELT ist dieser Film, der ein Genre begründete, "auf vertrackte Weise ein Bürgerrechtsfilm, obwohl George Romero behauptete, das sei ihm bloß so unterlaufen". Auch die SÜDDEUTSCHE findet in seinen Werken Vietnamprotest, "Anprangerung von Rassismus, die Auflehnung gegen bis dahin geheiligte Familienwerte."
Grundständiger sozusagen berichtet die TAZ: "Schon in 'Night oft the living Dead' wird hemmungslos in Menschenfleisch gebissen, eigentlich roh, aber wenn, wie in einer haarsträubend unvergesslichen Szene des Films, etwa Autofahrer in ihren brennenden Wagen zu Tode kamen, verschmähen die kannibalischen Untoten auch deren gegrillte Überreste nicht." Der TAGESSPIEGEL meint knapp: "Die allgemeine Diagnose: Die Welt ist im Arsch. Und mehrheitlich bevölkert von denen, die es auch sind". Wir rufen George Romero den Satz nach, mit dem die WELT ihre Würdigung beschließt: "Nach allem, was er angerichtet hat, soll er in Frieden ruhen."

"Frühfeministische Gedanken" von Jane Austen

Das mächtige Krokodil, das gruslig-kadaverig am Haken hängt, gehört zu einem anderen Thema: eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin will die Geschichte der Pressefotografie erzählen, zeigt aber nach Meinung von Willi Winkler in der SÜDDEUTSCHEN "vor allem die Anfänge des deutschen Boulevardjournalismus". Mit der BIZ, der Berliner Illustrierten, die es zu einer heute unfassbaren Auflage von zwei Millionen brachte, spaziert man durch die Kaiserzeit mit Krokodilstrophäen, sieht die ersten Paparazzi-Bilder, den sozialdemokratischen deutschen Reichspräsidenten Ebert in der Badehose und bekommt vor Augen geführt, wie fix die Pressefotografie, die der jüdische Ullsteinverlag in Deutschland begründete, nach der Machtübernahme durch die Nazis und Enteignung der Verlegerfamilie ins Propagandabad tauchte. Eine lohnende Ausstellung, findet Regina Mönch in der FAZ, eine etwas übersteigerte Ausstellung, meint Willi Winkler in der SÜDDEUTSCHEN – da hängt das schicke Krokodil am Haken…
Kurz noch einen Blick ins "Tal der Tanten": "By a Lady" stand auf den Covern von Jane Austens Romanen. Vor 200 Jahren ist die ungebrochen erfolgreiche Autorin gestorben, die Feuilletons feiern sie. Weil Austen als eine der ersten übers wirkliche Leben ihrer Zeit schreibt und zugleich "frühfeministische Gedanken formuliert" - das meint nicht nur die NZZ über Jane Austens Romane mit ihren klugen, eigensinnigen und unabhängigen Heldinnen. "Es ist eine weltweit anerkannte Wahrheit, dass eine Frau im Besitz eines schönen Verstandes Verlangen haben muss nach einem Roman von Jane Austen" - Susanne Ostwald in der NZZ beginnt ihr Austen-Portrait in Anlehnung an den berühmten Eröffnungssatz aus "Stolz und Vorurteil". Und endet mit Blick auf einige Jane-Austen-Vermarktungs- und Adaptionsstrategien tatsächlich so: "Unansehnlich ist auch, wofür die wehrlose Autorin mitunter noch herhalten muss, etwa Adaptionen ihrer Romane, die im Zombie- oder Vampirmilieu spielen. Und das, wo doch die Bücher - und damit auch ihre Schöpferin – wahrhaft Untote sind."
Holla, da beißt sich die Katze in den Schwanz – der Kulturpresseschau. Wenn das die Lady wüsste!
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