Aus den Feuilletons

"Don't be evil!"

Ein Tablet-Benutzer blickt auf ein Facebook-Logo.
Ein Tablet-Benutzer blickt auf ein Facebook-Logo. © imago/Future Image
Von Hans von Trotha · 02.05.2017
Wie soziale Medien die klassischen Wahlkämpfe bestimmen und beeinflussen, ist Thema in mehreren Zeitungen. In der "Süddeutschen" weist Jannis Brühl darauf hin, dass politische Akteure im Netz die von Trollen bekannten Taktiken benutzen.
Die Geschichte demokratischer Wahlkämpfe lässt sich als sich radikalisierende Bestätigung der berühmtesten These der Medientheorie erzählen, Marshall McLuhans Satz: "The medium is the message."
Jannis Brühl erkennt in der SÜDDEUTSCHEN "eine Erschütterung der Demokratie, wie wir sie kennen" durch die neuen, die sozialen Medien:
"Facebook erschüttert zwar nicht die Politik als Ganzes, aber einen der wichtigsten demokratischen Prozesse: die politische Kommunikation, und damit den Wahlkampf."
Michael Hanfeld berichtet dazu in der FAZ:
"Facebook hat vor ein paar Tagen eine bemerkenswerte Ausarbeitung in eigener Sache veröffentlicht. Auf 13 Seiten geht es en Detail um 'Information Operations' auf der Plattform, will heißen: um großangelegte Desinformation, wie man sie im Wahlkampf in den Vereinigten Staaten gewärtigt habe und in Frankreich gerade bezeuge. … Die Botschaft des Netzwerkkonzerns und seines Gründers Mark Zuckerberg ist deutlich. Sie lautet: Wir haben verstanden, wir haben begriffen, welche Verantwortung wir als Informationsvermittler in der digitalen Welt tragen. Ziel von Facebook sei es, mit dem 'sozialen Netzwerk' die 'guten Effekte für das friedliche Zusammenleben aller zu verstärken und die schlechten abzumildern'."
Na, dann ist doch alles in bester Ordnung. Oder doch nicht? Ist Facebook Medium? Oder Message? Oder Geheimdienst? Ja, Michael Hanfeld meint, "dass sich bei Facebook nicht nur Geheimdienste herumtreiben, das Netzwerk ist selbst nichts anderes als eine weltumspannende Operation Horch und Guck".
Hanfeld weier:
"Vielleicht sollte es der Konzern mit dem Motto halten, mit dem Google angefangen hat: 'Don’t be evil'."

Dubai-Font-Nutzer müssen arabische Leitkultur akzeptieren

Eben das lässt sich der Herrscher von Dubai in den für solche Zwecke ungemein praktischen AGB von all jenen Untertanen versichern, die ein von ihm frisch zur Verfügung gestelltes Medium nutzen wollen, nämlich eine neue Schrift namens Dubai Font, wie Paul-Anton Krüger in der SÜDDEUTSCHEN berichtet.
"Kronprinz Scheich Hamdan bin Mohammed bin Raschid al-Maktoum stellte sie auf Twitter– wo sonst – vor: Die schlichte, serifenlose Typografie soll arabisches Alef und lateinisches O besser zueinander passen lassen.
Doch sind die Verwender der neuen Schriftart nicht frei, damit auszudrücken, was sie möchten: Im Feingedruckten der Endnutzer-Lizenz, der man zustimmen muss, bevor man die Schrift herunterladen kann, heißt es: Ausdrücklich untersagt ist jede Nutzung, die der 'öffentlichen Moral', den Werten oder der lokalen Kultur der Vereinigten Arabischen Emirate zuwiderläuft."
Will sagen: Man sollte die dortige Leitkultur besser kennen, bevor man sich der schicken neuen Schrift bedient. Da wird ein sauberes Ineinander von Medium und Botschaft ultimativ eingefordert. Andrew Stroehlein, Medien-Direktor von "Human Rights Watch" in Europa, fragte auf Twitter:
"Wer wird die erste Person sein, die eingesperrt wird, weil sie damit ihre abweichende Meinung zum Ausdruck bringt?"

Je mehr Meinung, umso weniger Klarheit

Bei uns dagegen, so Paul Jandl in der NZZ, kommt es "auf die Botschaft selbst kaum noch an. Je mehr Meinung, umso weniger Klarheit. Es füllen sich die Medien, Foren und Blogs mit Ansichten, während echte Debatten kaum noch auszumachen sind."
Darauf, wie real all des Meinen, Chatten, Twittern und Bloggen in den Medien dann doch auch wieder werden kann, weist Jannis Brühl in seinem SÜDDEUTSCHE-Artikel hin:
"Wenn politische Werbung technisch genau wie kommerzielle Werbung viral funktioniert, kann jeder mit der richtigen Taktik Aufmerksamkeit auf seine Themen ziehen. Dazu nutzen die neuen politischen Akteure von Teenagern bis zu Geheimagenten Techniken, die Trolle im Netz schon lange kennen: Bildmontagen, die nur die eigene Gruppe versteht, 'Silencin', 'Brigading'(die abgesprochene massenhafte Unterstützung eines Themas in Online-Abstimmungen), oder 'Doxxing' (die Veröffentlichung persönlicher Informationen einer Person gegen deren Willen). Eigentlich fehlt nur noch das erste politische 'Swatting', bei dem einem Gegner ein Sondereinsatzkommando der Polizei auf den Hals gehetzt wird."
Das wäre dann eine ausgesprochen eindringliche Message - wie sie klassische Medien, wie etwa das Radio, kaum einem ihrer Nutzer übermitteln können, selbst wenn das jemand wollte.
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