Aus den Feuilletons

"Die Welt verliert, wenn Frauen nicht Teil des Systems sind"

Das Bild zeigt das Foto einer jungen Frau, auf deren Wange mit rotem Stift das weibliche Gender-Symbol gezeichnet ist.
Eine junge Frau beim "Women's March" in Brüssel. © picture alliance/dpa/Bruno Fahy
07.03.2018
Zum Internationalen Frauentag berichten die Zeitungen über Frauenrechte oder den Mangel an eben diesen, Proteste von Frauen in der Türkei und die Tränen der britischen Premierministerin.
"Sagen wir, die Hand des Vaters wurde dem Sohn transplantiert. Wessen Hand benutzt dann der Sohn, wenn er seine Frau streichelt? Das frage ich Sie!"
Also das frage nicht ich Sie, liebe Hörer, obwohl das philosophisch durchaus interessant wäre, sondern das hat ein sogenannter Hodscha in der Türkei rein rhetorisch gefragt, um solche Transplantationen zu verurteilen.
Bülent Mumay berichtet in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über diese islamistischen Religionsgelehrten und ihre Handlungsanweisungen für die muslimischen Türken. Selbst Bettdecken können sich da als erotisch, also gefährlich erweisen:
"Schließt unverzüglich die Augen, wenn ihr im Bett liegt, und schlaft sofort ein. Die Struktur von Bett- und Wolldecken soll den Sexualtrieb nicht aufreizen. Auch Gewürze und Ketchup können Wollust wecken. Meidet sie."
Dieser Theologe, den Mumay da zitiert, heißt Nurettin Yildiz und wurde durch seine Fatwa "Auch sechsjährige Mädchen können heiraten" bekannt. "Was, meinen Sie, hat die Justiz in Bezug auf diese sonderbaren Statements unternommen?", fragt Mumay. "In Bezug auf Yildiz natürlich gar nichts. Doch auf Yildiz’ Antrag hin zensierte die Justiz Nachrichtenportale, die seine Fatwas kritisiert hatten."

Proteste von türkischen Frauen zum Weltfrauentag

Rechtzeitig zum Internationalen Frauentag habe Yildiz folgendes gesagt: "Frauen sollten dankbar sein, wenn sie von ihren Männern verprügelt werden. Allah hat Männern erlaubt, Frauen zu schlagen, um Dampf abzulassen. Wenn du dem Mann nicht erlaubst zu schlagen, sucht er auf andere Weise Erleichterung." Was Yildiz damit meint, erfährt man in der ZEIT.
Da zitiert Can Dündar eben diesen Hodscha an genau dieser Stelle weiter: "Denn wenn ihm [dem Mann] die Geduld reißt, fängt er an, selbst in Strommasten eine zweite Frau zu sehen." Eines hat Yildiz schon erreicht: Nach solch einer Äußerung kann man nie wieder einen Strommast betrachten, ohne dass dabei äußerst unschöne Bilder im Kopf entstehen. Dündar malt sich und uns die kranken Fantasien zum Glück nicht aus und nennt stattdessen weitere Ungeheuerlichkeiten, denen türkische Frauen ausgesetzt sind:
"Als Frauen gegen all dies am Wochenende vor dem Frauentag am 8. März auf die Straße gingen, sahen sie sich Polizeigewalt ausgesetzt. Bei strömendem Regen wurden sie niedergeknüppelt, riefen aber unverdrossen weiter: "Wir schweigen nicht. Wir haben keine Angst. Wir gehorchen nicht.‘"

Als Theresa May weinte

Aber warum zum Weltfrauentag in die Türkei blicken, wenn auch bei uns einiges, wenn auch subtiler, im Argen liegt? "Unsere Kultur der Macht vermittelt Frauen: Wenn du dasselbe haben willst wie ein Mann, musst du wie ein Mann sein. Es gibt keinen Platz für weibliche Macht", sagt die britische Historikerin und Feministin Mary Beard im Gespräch mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Margaret Thatcher ging zu einem Stimmtrainer, um zu lernen, tiefer zu sprechen", erzählt Beard, die als Kennerin der Antike weiß, dass sich einige Vorurteile gegenüber Frauen seitdem gehalten haben. Und das sei letztlich zum Schaden der Allgemeinheit:
"Ich glaube, dass die Welt verliert, wenn Frauen nicht Teil des Systems sind. Ich lehne Theresa Mays Politik ab, aber als sie nach dieser Rede weinte, fand ich sie großartig. Die männlichen Journalisten haben sich alle über sie mokiert. Ganz ehrlich, wenn ein paar dieser Typen vielleicht häufiger weinen würden, ginge es uns allen besser."
"Mehr Witz, bitte!", fordert dagegen die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG im Feuilletonaufmacher und scheint den Humor auf der folgenden Seite selbst zu liefern. Mit der Überschrift "102 Titel B maximal 2-zeilig" und darunter mit einem Artikel auf Latein. Was wie ein absurdes Kunstprojekt erscheint, ist in Wirklichkeit eine unfertige Zeitungsseite mit Platzhaltern, die uns, den Machern der Kulturpresseschau, aus Versehen zugeschickt wurde. Der Artikel beginnt mit der Frage:
"'Harum quassecta ventianda pera prati optatumqui ut accabore delectur?' Was das bedeutet? Jedenfalls ganz sicher nicht: 'Sagen wir, die Hand des Vaters wurde dem Sohn transplantiert. Wessen Hand benutzt dann der Sohn, wenn er seine Frau streichelt?'"
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