Aus den Feuilletons

Die Gewalt fehlt, und auch vom Geschlecht keine Spur

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Hauptarsenalgebäude mit Keil, Dresden, Sachsen, Deutschland militärhistorisches Museum the Bundeswehr with Keil Dresden Saxony Germany
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Hauptarsenalgebäude mit Keil Dresden Sachsen Deutschla © imago stock&people
Von Gregor Sander · 07.12.2017
Die Süddeutsche Zeitung ist auf der Suche. Und zwar vermisst sie eine Ausstellung. Es sollte eine Sonderschau werden in Dresden, so jedenfalls war es angekündigt. Doch auf unerklärliche Weise ist die Ausstellung verschwunden. Es geht um ein heikles Thema.
"Etwas verschiebt sich gerade im Verhältnis zwischen Künstler und Gesellschaft", stellt Boris Pofalla in der Tageszeitung DIE WELT fest und er tut dies mit einigem Bedauern:
"Scheusale, wohin man blickt und klickt. Bitter für viele: Man liebt ihre Werke"
Für Pofalla hatte die gute Kunst der bösen Männer, die Arbeiten von Weinstein, Spacey oder Levine bisher eine Stellvertreterfunktion in der Gesellschaft:
"Der Bourgeois früherer Tage konnte das Treiben der Bohème bisher immer auch als Dienstleistung begreifen: Man muss nicht selbst anderen ungefragt den Penis zeigen oder betrunken ein Glas vom Kopf seiner Frau zu schießen versuchen. Das erledigen andere für einen."

Die Drecksarbeit machen die Anderen

Die Ausstellung der Stunde zu diesem Thema hätte vielleicht im Militärhistorischen Museum in Dresden stattfinden können, aber in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lesen wir:
"Schön wäre es halt schon, und zwar generell, wenn man jetzt in Dresden die Sonderschau 'Gewalt und Geschlecht' sehen könnte. Denn so war das lange angekündigt, aber so ist es nicht gekommen. Und wer jetzt auf der Website des Museums nachschaut, wo sie abgeblieben ist, die größte Ausstellung in der Geschichte des Hauses, der findet überhaupt keine Sonderausstellung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft."
Warum das so ist, hat Peter Richter nicht herausbekommen. Aber er berichtet von einem versetzten Museumsdirektor und der Generalkurator ist nicht mehr in der sächsischen Hauptstadt zu finden. Offensichtlich ist das Thema "Gewalt und Geschlecht" auch fürs Militär zu viel. Im April, so Richter, soll die Ausstellung aber wohl doch eröffnen.

Neuigkeiten über mögliche Strukturen bei der Berlinale-Führung

In der WELT stellt Hanns Georg Rodek fest:
"Bei der Berlinale überschlagen sich die Entwicklungen"
Und während man noch überlegt, ob das vielleicht ironisch gemeint sein könnte, präsentiert Rodek die Fakten:
"In einer 'Skizze zur Neustrukturierung der Intendanz' hat Dieter Kosslick dem Aufsichtsrat des größten deutschen Kulturereignisses wesentliche Reformen vorgeschlagen. Danach sollen die bisher beim Festivalleiter konzentrierten Aufgaben auf zwei neue Funktionen verteilt werden: eine 'künstlerische Direktion' und einen 'Präsidenten'."
Damit würde die Berlinale Strukturen übernehmen, die es bei den anderen A-Festivals in Cannes, Locarno oder Venedig längst gibt. Der alte Chef will dem Neuanfang auch nicht mehr beiwohnen, denn
"Kosslick erklärte vor dem Aufsichtsrat eindeutig, er stehe nach Ablauf seines Vertrages Ende April 2019 'für keine Leitungsfunktion' mehr zur Verfügung."

Die höchste Orgeldichte als Kulturgut

Nagelneues Unesco-Weltkulturerbe ist neben der neapolitanischen Kunst des Pizzabackens jetzt auch der deutsche Orgelbau. Andere deutsche Traditionen waren laut Gerhard Matzig von der SZ nicht unterzubringen:
"Zuletzt hatte Deutschland auch die Limmersdorfer Lindenkirchweih ins Spiel um den Titel gebracht. Vor zehn Jahren kam in München gar die Idee auf, das Wiesn-Faszinosum der Unesco anzudienen. Das Oktoberfest als Kulturgut? 'Ein Schmarrn', so, etwas verkürzt, die Antwort."
Aber mit den Orgeln hat es nun geklappt, und Frederik Hanssen untermauert das im Berliner TAGESSPIEGEL mit eindrucksvollen Zahlen:
"Mit rund 50 000 Instrumenten gibt es hierzulande die höchste Orgeldichte weltweit. Rund 400 Orgelbaubetriebe beschäftigen 2800 Mitarbeiter und es gibt 3500 hauptamtliche Organisten."
Die Frage nach einem Verlust, stellt sich Ambros Waibel in der TAZ:
"Werde ich die langen Stunden auf der alten Bahnstrecke Berlin–München vermissen?"
Am Freitag wird die neue Schnellstrecke feierlich eingeweiht und statt sechs Stunden ist man nun schon nach 3 Stunden 58 Minuten am Ziel.
"Ich hab sie mit Liebeskummer abgesessen, und verkatert, so Waibel über die verlorenen Stunden, 'Habe ganze Romane gelesen und Hunderte von Zeitungen und Zeitschriften und DB-Magazinen durchgeblättert. Ich habe Geschichten, Gedichte und Artikel in ihnen geschrieben und Tausende von SMS.'"
Aber dafür sollten vier Stunden doch eigentlich auch reichen, und ab und zu legt die Deutsche Bahn sicher auch ein paar Minuten Verspätung drauf.
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