Aus den Feuilletons

Die aufreizende Aura der Lässigkeit

Der Literaturtheoretiker Roland Barthes. Aufgenommen 1970 in Paris.
Der Literaturtheoretiker Roland Barthes. Aufgenommen 1970 in Paris. © imago
Von Gregor Sander · 11.11.2015
Zum 100. Geburtstag von Roland Barthes widmen die Feuilletons dem französischen Philosophen ganzseitige Hommagen. Wahre Lobeshymnen erhält auch Sänger Neil Young zu seinem 70. Geburtstag.
"Den Kopf heben und träumen", so überschreibt Jochen Schimmang in der TAZ seine Hommage an Roland Barthes, dessen Geburtstag sich an diesem Donnerstag zum hundertsten Mal jährt.
"Dieser Liebhaber der Anfänge und des Fragments hat es mit dem essai als Versuch wirklich ernst gemeint. Sein Schreiben wusste zu Beginn nie, wohin es treiben würde. Denn er lehnte nicht nur die doxa ab, die geläufige Meinung, die weniger durch den Inhalt als durch die Form definiert ist, durch ihre dauernde Wiederholung. Er verwarf auch die Thesengebäude all derer, die es besser wussten, also den 'Diskurs der Einschüchterung, Unterwerfung, Beherrschung, hochmütigen Behauptung' führten."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat dem Vertreter des Strukturalismus ihre ganze Literaturseite gewidmet.
"Keiner hat wie Barthes die aufreizende Aura der Lässigkeit entfaltet, mit der das moderne Denken damals die Selbstverständlichkeiten des intellektuellen Betriebs aufmischte", stellt Fritz Göttler fest, und der Schriftsteller Ulf Erdmann Ziegler berichtet, ebenfalls in der SZ, vom Versuch, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Acht Barthianer hatte er sich im Westberlin der 80er-Jahre eingeladen, um:
"Ein Stück Literatur zu finden, das wir 'strukturalistisch' zerlegen wollten."
Das fing auch ganz gut an, wie Ziegler meint. Themen jedenfalls gab es genug:
"Schreiben versus Recherchieren, Europa vs. USA, Wüste vs. Labyrinth, Schuld vs. Schuldzusammenhang, das wäre gut gelaufen –wir kamen nur vor lauter Reden nicht dazu, anzufangen."

Madonna liefert Erwartbares

Ob sich Madonna noch für die Kritiken ihrer Konzerte interessiert? Glaubt man Jenny Zylka in der TAZ, dürften sie ihr ziemlich egal sein denn:
"Madonna muss nichts mehr beweisen, das hat sie alles schon hinter sich. Sie muss sich bei niemandem anbiedern, keine Handherzen machen, dem Publikum nicht ihre Liebe versichern."
Macht sie dann auch nicht, stattdessen gibt es bei ihrem Berliner Konzert Erwartbares:
"Ein dem Abendmahl nachempfundener Tisch fährt ein. Madonna vertreibt alle Jünger. Öffnet ihre Beine, bereit zur oralen Befriedigung. Jesus schaut ihr von der Leinwand aus dabei zu ... Man versteht nicht, warum schon wieder Nonnen? Warum tanzen sie nicht mit Hidschab? Mohammed, was wäre denn mit dem? Sie könnte ihn oral befriedigen, vielleicht. Warum nur diese Rückschau?"
Das fragt sich Julia Friese in der WELT. Martin Hossbach von der BERLINER ZEITUNG kann sich hingegen an der Rückschau gar nicht satthören.
"Genial sind … die Momente, in denen Madonna sich ihrer eigenen Songs bemächtigt und sie solo vorträgt: 'True Blue', nur mit Ukulele begleitet, und die unglaubliche Performance von 'Like A Virgin', ebenfalls solo, befreit von dem engen Korsett der minutiös durchgestalteten Show."

"Flieger-Porno"

Nur noch selten schaffen es Filme der privaten Fernsehsender auf den Bildschirm, geschweige denn in die Feuilletons. RTL hat sich nun dem Starfighter-Skandal gewidmet. 916 dieser Jagdflugzeuge kaufte die Bundeswehr seit 1960. 262 davon stürzten ab.
Wie das dann im Fernsehen aussieht, beschreibt Willi Winkler in der SZ:
"RTL feiert des Fliegers reine Seele. Die Mädchen kichern, die Burschen sind schneidig, die Bomber so phallisch, wie sie waren, bester Flieger-Porno also."
Aber natürlich bemüht man sich bei RTL auch um die Machenschaften der Politik, um Bestechung und Spionage und das sieht dann laut Winkler so aus:
"Der Flieger-Porno wird zum Problemfilm. Plötzlich ist das Tempo raus, keine Whoooom-Starts mehr, kein Kunstflug, keine Pilotensilhouetten, die im Gegenlicht aus dem Hangar marschieren, auch keine Abstürze mehr."

Ungestümer Freigeist der Popmusik

Nach gutem Anfang folgt also lahme Unterhaltung. Dann doch lieber ein bisschen Musik aus dieser Zeit, vielleicht von Neil Young, der an diesem Donnerstag 70 wird und von dem Lorenz Jäger in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG behauptet:
"Von Bob Dylan abgesehen, hat keiner sich so tiefgreifend in beständige Stilwandlungen hineinbegeben wie dieser Mann."
"Den ungestümen Freigeist der Popmusik", nennt ihn Karl Bruckmeier in der SZ und wünscht sich von Neil Young:
"Verschwende deine Rente!"
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