Aus den Feuilletons

"Der Welt fehlt im Augenblick eine überwölbende Ordnung"

Außenminister Frank Walter Steinmeier bei einem Treffen mit Russlands Außenminister
Frank-Walter Steinmeier © imago/ITAR-TASS
Von Adelheid Wedel · 08.04.2016
"Fast scheint es, als sei der permanente Krisenmodus der neue Normalfall", schreibt Frank-Walter Steinmeier in der Zeitung "Die Welt". Kultur könne den Boden bereiten, auf dem politische Verständigung und damit Krisenbewältigung möglich sei, so der Außenminister.
"Fast scheint es, als sei der permanente Krisenmodus der neue Normalfall."
Das schreibt Frank-Walter Steinmeier in der Tageszeitung DIE WELT und leitet daraus eine Forderung ab.
"Ob Bürgerkrieg in Syrien, Ukraine-Konflikt, Flüchtlingskrise oder die Serie der Terroranschläge von Paris über Istanbul bis Brüssel – die Vielfalt der Krisen, mit denen wir es zu tun haben, macht deutlich, dass der Welt im Augenblick eine überwölbende Ordnung fehlt."
Steinmeier empfiehlt:
"Auf diese neue Unübersichtlichkeit müssen wir mit dem gesamten außenpolitischen Instrumentarium reagieren. Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik kommt in dem Spannungsbogen zwischen Krisenmodus und der Auseinandersetzung mit neuen Ordnungsmodellen eine unverzichtbare Rolle zu."

Hinschauen und Hinhören

Sie eröffne im Gegensatz zur Ideologisierung: Differenzierung, genaues Hinschauen und Hinhören, sie fördere den kulturellen Austausch, die Bildungsarbeit. Die Rolle der Kultur noch einmal unterstreichend, hebt er hervor:
"Kultur bereitet im vorpolitischen Raum erst den Boden, auf dem politische Verständigung und damit Krisenprävention und Krisenbewältigung möglich sind. Sie schafft Freiräume, innerhalb derer gesellschaftliche Themen aufbereitet und friedlich verhandelt werden."
Diese künstlerischen und wissenschaftlichen Freiräume zu schützen erklärt der deutsche Außenminister zu einem, und damit auch seinem politischen Auftrag.

Konservative Revolution in Polen

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG druckt in ihrer Samstag-Ausgabe mit Blick auf unsere östlichen Nachbarn:
"Die nationalen Ambitionen der neuen polnischen Regierung sorgen in der Kulturszene für breiten Unmut. Sie geht daran, auch das Feld der Kultur nach ihrem Gusto umzupflügen."
Der Korrespondent Gerhard Gnauck ergänzt:
"Liberale Künstler und Intellektuelle sind in Aufruhr. Manche malen gar einen Bürgerkrieg an die Wand."
Beim Gala-Abend des Magazins "Polityka" machte sich Chefredakteur Jerzy Baczynski lustig:
"Früher haben sich die Politiker zu wenig um die Kultur gekümmert. Heute kümmern sie sich allzu sehr um sie. Ein subversives Lachen erfüllte den Saal",
berichtet Gnauck. Er fragt besorgt:
"Muss der Kulturbetrieb in Polen bald in den Untergrund gehen, denn die neue Regierungspartei pflegt eine deutliche Anti-Eliten- und Anti-Intellektuellen-Rhetorik."
Auch deswegen äußern viele Intellektuelle scharfen Widerspruch. Ein Beispiel dafür, der Doyen der polnischen Poesie, Adam Zagajewski, wetterte:
"Die gierigen fanatischen Versuche einer blitzartigen Machtübernahme in allen Bereichen des öffentlichen Lebens erinnern nur an eines: An Faschismus, ... an eine Mischung aus Nationalismus, Populismus, Lüge und Autoritarismus."
Derzeit macht in Polen das Schlagwort von "einer konservativen Revolution die Runde, die diese Regierung ihrem Volk verordnen wolle."
Gnaucks Kommentar:
"In der Tat: Die Absicht, das Volk patriotisch und christlich zu erziehen und die übrige Welt über Leid und Heldentum in der polnischen Geschichte zu belehren, sind offizielles Programm."

Ungereimtheiten beim Echo

An diesem Donnerstag wurde der Echo-Musikpreis verliehen. Die Feuilletons berichten reichlich kritisch darüber, am pointiertesten Jens Balzer in der BERLINER ZEITUNG. Er schreibt:
"Weil die Interpretin des meistverkauften Albums des letzten Jahres, Adele, offenbar keine Lust hatte, zur Verleihung zu kommen",
ging der Preis an Helene Fischer. Adele wurde immerhin als Künstlerin des Jahres geehrt, was während der Show jedoch keine Erwähnung fand. Balzer erwähnt weitere Ungereimtheiten, nein er geißelt sie:
"In den vergangenen Jahren waren die Veranstalter des Echo verschiedentlich wegen der Intransparenz und vermeintlichen Korruptheit der Preisvergabe kritisiert worden. Nachdem sie diesem Eindruck zwischenzeitig entgegenzutreten versucht haben, ließen sie es in diesem Jahr wieder bleiben."
Da möchte man doch Nadine Langes Vorschlag im TAGESSPIEGEL beipflichten:
"Es wäre dem Bundesverband Musikindustrie zu wünschen, dass er den vermurksten 25. Echo-Geburtstag zum Anlass einer Reform des Preises nimmt. Raus aus der Wiederholungsschleife – das wäre mal ein echter Grund zum Feiern für die Branche."
Mehr zum Thema