Aus den Feuilletons

Der Weihnachtsmann tut niemandem was

Schauspielerin Isabell Horn küsst bei der Eröffnung des ersten VIP-Weihnachtsmarktes im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds Berlin am 29.11.2017 den Kult-Weihnachtsmann Peter Georgi.
Keiner hat den gütigen Mann jemals als sexuell übergriffig erlebt, mutmaßt Falko Henning in der "Berliner Zeitung". © picture alliance / Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Von Klaus Pokatzky · 11.12.2017
In Stockholm wird der Mann einer Nobelpreis-Jurorin sexueller Übergriffe beschuldigt, meldet die "Süddeutsche". Die "Welt" erklärt Kanzlerin Angela Merkel zur "Antithese der Sexismusdebatte". Und die "Berliner Zeitung" lobt die Gewaltlosigkeit des Weihnachtsmannes.
"Kaum ein Wesen wird derzeit so positiv bewertet wie der Weihnachtsmann", erfahren wir aus der BERLINER ZEITUNG. "Keiner kann sich heute noch erinnern, den gütigen Mann mit Apfelbäckchen, rotem Mantel und weißem Haar je gewalttätig erlebt zu haben", schreibt Falko Hennig. Und keiner hat den gütigen Mann jemals als sexuell übergriffig erlebt.
"Übergriffe" vermeldet da die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und verdirbt uns gleich wieder die vorweihnachtliche Laune: "Der Skandal um die Schwedische Akademie weitet sich aus". Jetzt also ist auch die Institution dran, die den Literaturnobelpreis vergibt. 18 Mitglieder hat sie, darunter die Lyrikerin Katarina Frostenson, "die Frau jenes Mannes, der die Akademie in die größte Krise ihrer Jahrhunderte alten Geschichte stürzte", so die SÜDDEUTSCHE: "Bei diesem Skandal geht es unter anderem darum, dass ihr Mann seit drei Jahrzehnten seine Nähe zur Akademie für sexuelle Übergriffe ausnutzte, gegenüber Praktikantinnen und Debütantinnen, gegenüber den Frauen und Töchtern der Akademiemitglieder."
Kaum ein Tag vergeht, an dem sich nicht mindestens ein Feuilleton mit sexuellen Übergriffen befasst. "Warum ist in Amerika die Debatte über Sexismus mit voller Wucht losgebrochen, während in Deutschland Haarspaltereien über Feminismus stattfinden? Hat vielleicht Angela Merkel etwas damit zu tun?" Das fragt die Tageszeitung DIE WELT.
"Angela Merkel ist die Antithese der Sexismusdebatte. Als Wissenschaftlerin, die immer objektiv bleibt und scheinbar frei von Sexualität, könnte sie die faule Ausrede dafür sein, dass Deutschland nicht betroffen ist", antwortet Eva Munz. "Im Ausland wird die Kanzlerin tatsächlich als eine Art Unfrau wahrgenommen, womit keine Gender-Nest-Beschmutzung beabsichtigt ist, sondern lediglich das Fehlen funktionsfähiger, moderner Frauenvorbilder beklagt wird."

Jesus hilf!

So ganz muss ich das wohl nicht verstehen. Was Angela Merkel vorgeworfen wird, könnte genauso gut meiner Lieblingskönigin Elisabeth der Zweiten vorgeworfen werden. Was würde Eva Munz wohl schreiben, wenn die Queen und unsere Angela jetzt auf sexy machen würden? Jesus hilf!
"Papst Franziskus sagte in einem Interview mit dem italienischen Sender TV2000", lesen wir in einem anderen WELT-Artikel, "der Vers 'Und führe uns nicht in Versuchung', wie es etwa in der deutschen und auch in der italienischen Version des Vaterunsers heißt, sei 'keine gute Übersetzung'". Des Papstes Begründung klingt plausibel: "Nicht Gott versuche die Menschen, sondern der Teufel", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Franziskus mag deshalb die Version des Vaterunsers lieber, die seit kurzem in Frankreichs katholischen Kirchen verwendet wird. 'Lass uns nicht in Versuchung geraten‘, heisst es da". Das schreibt Thomas Ribi – und fragt sich, ob das Oberhaupt der Katholischen Kirche damit ja nur die Gelegenheit wahrnahm, "mehr oder weniger diskret auf die Existenz des Teufels hinzuweisen. An den glauben nämlich selbst gläubige Christen immer weniger. Und ganz ohne das Böse wäre das Christentum ziemlich haltlos."
Und was wäre das Feuilleton ohne Sünden? "Die Tricks, die Männerbünde, das Operieren im Verdeckten", so beschreibt die Tageszeitung TAZ die Sünden eines Medienmoguls, "die Schulden und der Absturz, der bis heute mythenumwoben ist – und stark nach fauligem Sumpf mieft." Von Leo Kirch ist die Rede, verstorben vor sechs Jahren, über den das ZDF morgen Abend eine Dokumentation bringt. "Als wär’s ein Stück von Shakespeare", findet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Die BERLINER ZEITUNG weist auf "eine echte Neuigkeit" kurz vor dem Abspann hin: "Der tiefgläubige Katholik soll einen unehelichen Sohn haben."
Jesus hätte da kein Problem mit.
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