Aus den Feuilletons

Der Islam in der modernen Welt

Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur
Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur © picture alliance / dpa/ Hermann Josef Wöstmann
Von Adelheid Wedel · 02.07.2017
Die Süddeutsche Zeitung fragt, ob Muslime heute gleichzeitig modern und authentisch sein können. Die Autorin Katajun Amirpur schreibt: "Natürlich. Man kann den Koran im Sinne der pluralen Demokratie deuten. Es wird schon getan."
"Politische Mode" -

dieses seltene Wortpaar spielt in der Tageszeitung TAZ vom Montag über eine ganze Zeitungsseite eine Rolle. Omid Rezaee schreibt den schlichten Satz:
"Auch Gläubige wollen sich schön kleiden."
... und zitiert damit eine Designerin aus Teheran. Wir erfahren:
"Nach der Islamischen Revolution 1979 prägten Schwarz und Dunkelblau das Stadtbild von Teheran. Inzwischen haben mutige Designerinnen die Farben zurückgebracht – mit Mänteln und Kopftüchern, die weder westlich noch streng islamisch sind. Das kreative Auslegen von Kleidervorschriften kommt aber nicht überall gut an,"
denn auf den Straßen Teherans gilt:
"Es kommt im Wesentlichen auf die Verhüllung an, entweder durch den Tschador, den großen schwarzen Überwurf, oder alternativ den Mantel. Dieser sollte nicht eng, auffällig oder gar aufreizend geschnitten sein."

Mutige Modedesignerinnen und Models

So die Vorschrift, die jetzt allmählich durchlässig wird. Nach inzwischen 38 Jahren verändert sich das Stadtbild – dank mutiger Modedesignerinnen und Models.
Verschleierte Frauen während des Freitagsgebets in Teheran
Frauen während des Freitagsgebets in Teheran: Nur schwarz ist out© imago
Inzwischen gibt es zahlreiche Modemarken voller Farben, wilder Muster, kreativer Schnitte, gekoppelt mit traditionellen iranischen Elementen. Maryam Farsi, eine 29-jährige Modedesignerin, nennt als Motiv für ihre Arbeit:
"Wir machen Fashion aus dem Hidschab, dadurch verweltlichen wir ihn."
Ein Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG liest sich mit seiner Frage wie die Fortsetzung zur Taz:
"Können Muslime heute gleichzeitig modern und authentisch sein?"
Die Autorin Katajun Amirpur, Professorin für Islamische Studien an der Universität Hamburg, antwortet:
"Natürlich. Man kann den Koran im Sinne der pluralen Demokratie deuten. Es wird sogar schon getan."
Sie berichtet:

"Es gibt viele zeitgenössische muslimische Intellektuelle, die für ein neues Islamverständnis plädieren und dieses theologisch aus den islamischen Quellen begründen. Vornehmlich aus dem Koran. Ihr Ziel ist eine Lesart des Islam, die mit den Menschenrechten und der Demokratie zu vereinbaren ist, die Rechtsstaatlichkeit als hohes Gut betrachtet und die Würde des Menschen als unantastbar ..."
Viele islamische Intellektuelle sind überzeugt, dass Reform vonnöten ist. In den islamischen Ländern wie auch in der Diaspora debattieren Muslime über den Islam in der modernen Welt. Sie ringen um eine moderne Interpretation der Quellen und um einen kritischen Zugang zur eigenen Tradition.
"Sicher geht die Anhängerschaft dieser Reformer nicht in die Millionen,"
schreibt die Autorin in der SZ aber sie weiß auch:
"Ganz sicher aber lebt die absolute Mehrheit der Muslime diese moderne Auffassung ohnehin – ohne jede theologische Begründung."

Spuren der Erinnerung

Menschenrechte sind das übergreifende Thema auch für den nächsten Artikel, der wiederum in der TAZ zu finden ist. Die Zeitung kündigt an, dass die Ausstellung "Spuren der Erinnerung" nun nach Mexiko über England, Frankreich und Italien nach Berlin kommt.
"Das hat große politische Bedeutung,"
... meint Wolf-Dieter Vogel. Die ...
"Installation zum gewaltsamen Verschwindenlassen in Mexiko"
... ist jenen gewidmet, die bis heute nicht auffindbar sind. So zeigt beispielsweise eine Installation des Bildhauers Alfredo Lopez Casanova 170 Schuhe, getragen von Verwandten und Freunden auf der Suche nach den Verschleppten,
"jede Sohle erzählt von einer Geschichte. 32.000 Menschen gelten nach Angaben der Regierung als verschwunden, die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen,"
... so Wolf-Dieter Vogel. Menschen,
"die sich in Mexiko auf der Suche nach ihren verschwundenen Angehörigen und Freunden befinden,"
fordern, "dass ihre Stimme gehört wird, dass die Behörden aufklären, was mit ihren Angehörigen geschehen ist."
Ab 4. Juli ist die Ausstellung in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung zu Gast. Danach wird sie in Nürnberg zu sehen sein,
"an einem wegen der Kriegsverbrecherprozesse für López symbolischen Ort gegen die Straflosigkeit, die in seinem Land vorherrscht."
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