Aus den Feuilletons

Der feminine Mann

Emmanuel Macron
Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron während einer Wahlkampfveranstaltung in Paris. © picture alliance/dpa/Foto: Thomas Padilla
Von Tobias Wenzel · 17.04.2017
Der Shootingstar der französischen Präsidentschaftswahl, Emmanuel Macron, tritt anders auf als seine Vorgänger, ist mit einer älteren Frau zusammen und sein Vorname kann auch noch weiblich ausgesprochen werden. Wohl zu viel für die konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
"Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat das Referendum für eine neue Verfassung gewonnen. Und jetzt?",
fragt die TAZ ihren scharfzüngigen Wochenkommentator Friedrich Küppersbusch. Und der antwortet:
"Gemach, er hat die Bevölkerung chirurgisch sauber in zwei näherungsweise gleichgroße Widerparteien filetiert. (…) Erdoğan wird den AKP-Vorsitz anstreben, per Dekret regieren, Zweifler mit dem Hinweis auf das US-Präsidialsystem betäuben. Das galt früher mal als Metapher für Demokratie."
Da kommt Küppersbusch Deutschland in den Sinn und eine Was-wäre-wenn-Frage: "Was, wenn eine Volksabstimmung über die Wiedervereinigung dunnemals stattgefunden hätte und circa 50/50 ausgegangen wäre? Wie wäre es uns seither ergangen, wo wären wir damit heute? Und wie sähe die DDR 2017 die Lage der Türkei?"
Die TAZ zieht Friedrich Küppersbusch aus der Welt der irrealen Gedankenspiele zurück in die Realität, indem sie noch einmal zur Volksabstimmung in der Türkei fragt: "Und was bedeutet das für unseren Kollegen Deniz Yücel?" Küppersbuschs Antwort: "Klar muss man hoffen, ein milde gestimmter Sultan wedele seinen Schergen Orders der Barmherzigkeit zu. Auch wenn das ´Danke` dafür in bester Gesellschaft des Mageninhaltes hochkäme."

Präsidentschaftskandidat Emanuel Macron

Die meisten Feuilletonisten überlassen in den Zeitungen vom Dienstag die Türkei lieber ihren Kollegen vom Politik-Ressort und greifen stattdessen nach Frankreich, mit Blick auf die dortige Präsidentschaftswahl am Sonntag. "Das dritte Geschlecht in der französischen Politik heißt Emmanuel Macron", schreibt Jürg Altwegg in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über den zurzeit neben Marine Le Pen aussichtsreichsten Kandidaten.
"Er ist weder links noch rechts, aber sowohl als auch."
Altwegg spielt einerseits darauf an, dass Macron die "Spaltung in Linke und Rechte überwinden" will. Andererseits darauf, dass Nicolas Sarkozy seinen Gegner Macron so definiert habe:
"Ein bisschen Mann. Ein bisschen Frau. Das ist die neue Mode. Androgyn."
Außerdem trage Emmanuel Macron einen Vornamen, der genau so ausgesprochen werde wie die weibliche Version desselben Namens. Altwegg erwähnt, dass Macron mit seiner 24 Jahre älteren Lehrerin verheiratet ist, die dann eine First-Lady-Rentnerin würde. Die könnte, so der Journalist, genauso seine Mutter sein wie Angela Merkel. Zwangsläufig stellt man sich nun Merkel und Macron innig küssend vor. Schuld hat Jürg Altwegg, der, zur Erinnerung, nicht für die "Gala" schreibt, sondern für die FAZ.

Tom Kummer der Plagiator?

Tom Kummer hat unter anderem für das SZ-Magazin geschrieben, na ja, Interviews mit Weltstars einfach mal erfunden und ihnen fremde Worte in den Mund gelegt. Als das rauskam, fand das die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gar nicht komisch. Insofern liest man schon mit gesteigertem Interesse in eben dieser Zeitung, wie Tobias Kniebe "Nina & Tom" rezensiert, Tom Kummers Roman, der für Kniebe in Wirklichkeit ein autobiographisches Sachbuch ist, das mit dem Krebstod von Kummers Frau endet.
"Man liest diese Erinnerungen, und sie fühlen sich manchmal nur großkotzig an, oft aber auch platt, falsch, leer und irgendwie müde." Kniebe hat herausgefunden, warum das so ist: weil der Autor sich wieder bei anderen bedient hat.
"Kummer schreibt ganze Passagen einfach irgendwo ab", erläutert Kniebe und führt als Belege unter anderem Zitate aus Büchern von Frédéric Beigbeder und Richard Ford an. Aber:
"Nichts wäre sinnloser, als einem Mann noch einmal Plagiate vorzuhalten, der schon mehrfach des Fälschens und Abschreibens überführt wurde und das Klauen schöner Sätze einfach als seine persönliche Montagetechnik begreift", schreibt Tobias Kniebe in der SZ.
"Wer darüber Erstaunen äußern wollte, (…) dem wäre sicher nicht mehr zu helfen."
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