Aus den Feuilletons

"Der evangelischen Kirche haben Pfarrerinnen auch nicht geschadet"

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) spricht im Rahmen einer Pressekonferenz. Merkel hat Kramp-Karrenbauer als künftige CDU-Generalsekretaerin vorgeschlagen.
Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer: © Imago / Inga Kjer / photothek
Von Klaus Pokatzky · 12.05.2018
"Für mich ist Glaube etwas sehr Persönliches", war in dieser Woche in einem Interview von "Christ und Welt" zu lesen. Sie sei das säkularisierte Modell einer Christin, so Annegret Kramp-Karrenbauer: "Das ist der einzige Weg, wie Menschen verschiedener Religionen friedlich miteinander leben können."
Backslash x57 Backslash x69 Backslash x65. Das lasen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Ein Backslash ist ein linksseitiger Schrägstrich – und für die Computersprache so unverzichtbar wie für einen Bücherliebhaber Regale bis zur Decke sind. "So liest die Maschine das Feuilleton", verkündete uns die NEUE ZÜRCHER und brachte auf einer ganzen Seite nur lauter Backslashs und x mit Zahlen. "Wir drucken dort die", so Philipp Meier, "Besprechung der Ausstellung‚ Open Codes – Leben in digitalen Welten‘ im Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe in Form eines digitalen Codes ab, wie ihn nur eine Maschine lesen kann."
Das sah fast so aus, als wollte die NEUE ZÜRCHER jetzt schon mal Werbung für die Zeiten machen, wo Roboter alles für uns tun: mit unserer Stimme sprechen, und immer menschlicher werden – und dann irgendwann ja schließlich auch eine gute Zeitung abonnieren wollen. "Es kommt alles noch viel ärger", hieß es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, die uns eine Erfindung der digitalen Klangwelt präsentierte. Duplex heißt sie und soll für "maulfaule Nutzer Telefondienste übernehmen".

"Sprache ist im Grunde auch nichts anderes als ein Code"

Der Automat erledigt dann alles für uns. "Anrufe beim Friseur etwa, zwecks Terminvereinbarung. Oder Reservierungen im Restaurant. Bei der Präsentation klang Duplex’ Kommunikationsstil täuschend human, inklusive eingestreuter Mhs und Ähs", schrieb Ursula Scheer. "Sprache ist im Grunde auch nichts anderes als ein Code", erklärte uns die Code-begeisterte NEUE ZÜRCHER – und titelte über einem Artikel: "Immergleiche Künstlernamen prägen heute das Image der Mussen" – wobei mit "Mussen" jene Kulturinstitutionen gemeint waren, die wir Nichtroboter als Museen bezeichnen.
Unser Schwyzer Lieblingsblatt im totalen Backslash. "Unser Sprachcode", meinte Philipp Meier, "setzt sich meistens aus einem Alphabet zusammen". Und damit zum – Analogen.
"Wer braucht heute noch Bücher?", fragt die WELT am SONNTAG. "Bücher auf dem Flur. Bücher vor der Badezimmertür. Bücher unterm Esszimmertisch", schreibt Dirk Schümer: als hätte er meine Wohnung heimlich inspiziert. "Bücher neben dem Bett." Wieso nur neben dem Bett? "Indem ich mich mit Tausenden von Büchern ummauere, isoliere ich meine Wohnung – was übrigens wirklich ein ganz praktischer Aspekt ist – nicht nur gegen Kälte und gegen Lärm. Ich baue mir einen Schutzwall gegen meine persönliche Einsamkeit inmitten von lauter Stimmen."
Das ist wunderbar gesagt – und würde in der NEUEN ZÜRCHER wahrscheinlich so lauten: Backslash x65 Backslash.
"Historiker sind sich einig, dass es Juden im Islam weit besser ging als im europäischen Christentum", stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Jüdisches Leben blühte in Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft unter islamischer Herrschaft durch die Jahrhunderte", erinnerte uns der Historiker Peter Wien. "Die gegenwärtige Debatte in Deutschland über Antisemitismus unter muslimischen Migranten muss diesen historischen Hintergrund berücksichtigen. Im Islam gibt es keinen traditionellen, religiös oder rassistisch begründeten Antisemitismus", schrieb der Professor für Geschichte des Modernen Nahen Ostens an der University of Maryland. Ob das die vermeintlich christlichen Abendländer und Alpenländler gerne hören?

"Glaube richtet sich nach innen"

"Für mich ist Glaube etwas sehr Persönliches. Er richtet sich nach innen", lasen wir in einem Interview von CHRIST UND WELT – der Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Ich bin das säkularisierte Modell einer Christin", sagte die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Das ist der einzige Weg, wie Menschen verschiedener Religionen friedlich miteinander leben können." Das Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken wünschte sich, "dass die Priesterinnenweihe kommt". Denn: "Der evangelischen Kirche haben Pfarrerinnen auch nicht geschadet – im Gegenteil."
Und noch ein Bekenntnis anlässlich des Katholikentages in Münster: "Ich persönlich habe schon damals als Messdiener gelernt, öffentliche Aufmerksamkeit als Teil meines Lebens anzunehmen", erzählte Jens Spahn CHRIST UND WELT – und ist mit sich im Reinen als schwuler Katholik: "Weil ich überzeugt bin, dass Gott mich so nimmt, wie ich bin. Weil mein Glaube so selbstverständlich zu mir gehört wie mein Schwulsein." Sehr genau hat der Bundesgesundheitsminister hingehört, "als Papst Franziskus seine Kirche aufforderte, Homosexuelle um Vergebung zu bitten. ‚Wenn jemand homosexuell ist, Gott sucht und guten Willens ist‘, sagt Franziskus, ‚wer bin ich, über ihn zu richten?‘"
Das ist schöne Demut; sie steht nicht jedem. "Der momentan gültige russische Witz geht so", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG: "Putin will kein Zar werden, weil es nur eine Krönung gibt, die Amtseinführung des Präsidenten kann sich aber unendlich oft wiederholen." Und gerne dabei – der lupenreine deutsche Sozialdemokrat, Genosse Gerhard. "Schröder stand in der ersten Reihe zwischen dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche und dem Premierminister Medwedjew und durfte als Einziger neben diesen beiden dem Frischgesalbten per Handschlag gratulieren", schreibt Nikolai Klimeniouk – für den der Bundeskanzler a. D. den Westen verkörperte, "wie ihn der Kremlherr gerne hat: kooperativ, käuflich, hedonistisch und ganz ohne Moral".
Da können wir nur noch in der Digitalsprache der NEUEN ZÜRCHER sagen: x2E Backslash x0A.
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