Aus den Feuilletons

Darth Vader im Weißen Haus

US-Präsident Donald Trump mit seinem Berater Stephen Bannon (rechts außen) im Oval Office, mit ihnen der inzwischen zurückgetretene Sicherheitsberater Michael Flynn
US-Präsident Donald Trump mit seinem Berater Stephen Bannon (rechts außen) im Oval Office, mit ihnen der inzwischen zurückgetretene Sicherheitsberater Michael Flynn © imago / Zuma Press/ Pete Marovich
Von Tobias Wenzel · 17.02.2017
Propaganda ist das große Thema der Feuilletons zum Wochenende. Der "Spiegel" hat den Dokumentarfilm "Generation Zero" gesehen, der die düstere Ideologie von Trumps Einflüsterer Stephen Bannon transportiert.
"Blumen welken, Obst verfault, grauer Schimmel überzieht die Welt." Es klingt wie der Anfang eines depressiven Rilke-Gedichts. Aber es sind die Worte von Thomas Hüetlin. Im neuen SPIEGEL versucht er so einen Eindruck von "Generation Zero" zu geben, dem Dokumentarfilm, den Trumps Chefstratege Stephen Bannon 2010 veröffentlichte. "Es gibt Menschen, die nennen Stephen Bannon nur Darth Vader", schreibt Hüetlin und ergänzt, das fasse Bannon als Kompliment auf. Die Thesen des Films kurz zusammengefasst: Die Schwarzen und die Hippies hätten letztlich die Finanzkrise ausgelöst. Deshalb müsse "Schluss mit den Sechzigerjahren und ihren Frauenrechten, mit dem Bemühen um sozialen Ausgleich" sein. Stattdessen: "Zurück in die Apartheid der Fünfzigerjahre, als das Establishment des Landes so makellos weiß war wie die Zäune der Vorstädte." Nicht nur für Hüetlin ist das ein "als Dokumentarfilm getarnte[r] Propagandafilm".
Propaganda und Propaganda-Vorwürfe ziehen sich durch die Feuilletons vom Samstag. Die EU habe dem Russen Dmitri Kisseljow ein Einreiseverbot erteilt, weil der, so die EU, "die zentrale Figur der staatlichen Propaganda hinter der Mobilisierung der russischen Kräfte in der Ukraine" sei, berichtet wiederum Tim Neshitov in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Kisseljow ist Eigentümer eines staatlichen Medienunternehmens in Russland, zu dem auch das deutschsprachige Programm von "Russia Today" gehört. Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz haben RT Deutsch als "feindselig" bezeichnet. Neshitov selbst kommen einige Beiträge von RT Deutsch so gaga vor wie die Behauptung von Dmitri Kisseljow, Angela Merkel hege Lebensraumfantasien und wolle deshalb die Ukraine schlucken. "Man fragt sich […], je länger man RT Deutsch konsumiert: Sind hier wirklich BND und Verfassungsschutz für Warnhinweise zuständig? Nicht der Berufsverband Deutscher Psychiater?", fragt rhetorisch Tim Neshitov in der SZ.
"Trumps Sprecher Sean Spicer verbreitet […] die Versionen seines Chefs (darunter auch nachweisliche Falschinformationen)", berichtet Dorothea Hahn für die TAGESZEITUNG aus New York. "Mittendrin unterbricht er und schaltet per Skype Journalisten von Provinzmedien in das Briefing ein, deren Fragen gelegentlich klingen, als kämen sie aus der Propagandaabteilung der Republikanischen Partei." Das ist deprimierend. Aber Hahn hat etwas Positives entdeckt: "Nach jahrelangem kontinuierlichem Auflagenrückgang erleben die politischen Medien wieder Zulauf. Fast alle haben steigende Auflagenzahlen […]".
Die WELT sorgt sich um ihren Türkeikorrespondenten Deniz Yücel, der in Polizeigewahrsam sitzt, weil ihm die türkischen Behörden unter anderem "Terrorpropaganda" vorwerfen, nachdem er kritisch über Erdogans Schwiegersohn berichtet hat. Das ist nun wirklich deprimierend. Drum schnell noch etwas Aufbauendes zum Schluss. "Eine Sekunde, und schon ist er vorbeigeeilt, und doch ist die Gemeinde der Proustianer aus dem Häuschen", schreibt Richard Kämmerlings, ebenfalls in der WELT, über eine aufgetauchte Filmszene von einer Hochzeitsfeier aus dem Jahr 1904. Darauf zu sehen ist wohl, zum ersten Mal in Bewegtbildern, Marcel Proust, auf einer Treppe. Der begeisterten literaturaffinen Internet-Community verpasst Kämmerlings aber gleich mal eine verbale Ohrfeige: "Der hinuntereilende Proust allein sagt uns gar nichts." Er belegt das mit Proust-Zitaten. Entscheidend sei nicht, die Wirklichkeit einfach nur abzubilden, sondern "die feine Rille aufzuspüren, die der Anblick eines Weißdornbusches oder einer Kirche in uns eingezeichnet hat".
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