Aus den Feuilletons

Codes im Wandel der Jahrhunderte

Auf einem Bildschirm sind Ausschnitte aus ein paar Zeilen Computercode zu sehen
Wie Maschinen lesen, zeigt das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe. Die "NZZ" irritiert mit einer Seite Computercode. © imago stock&people
Von Ulrike Timm · 08.05.2018
Dass wir von Codes umgeben sind, verdeutlicht die NZZ, die im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien erleuchtet wurde. Und auch eine Gemäldeausstellung in Berlin zeigt, dass die Malerei im 19. Jahrhundert ihre ganz eigenen Codes hatte.
So richtig ins Auge sticht heute das Feuilleton der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG – man versteht nämlich rein gar nix. X65/x6C/ uswusw., unendliche Bleiwüste - über eine komplette Seite: Codes.
In der Mitte dann, ganz klein und verdruckst: "So liest die Maschine. Weiter dazu auf S. 41". Aha. Des Rätsels Lösung: Der Text "Wie die Maschinen uns lesen" ist in Unicode-Form abgedruckt, wie nett, dass man ihn später für uns etwas leichter zu lesen findet, auf Deutsch.
"Wer nicht glaubt, in einer Welt von lauter Codes zu leben, darf im Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe mit seiner Erleuchtung rechnen", schreibt Philipp Meier.

Code mit Übersetzungsschwäche

Erleuchtung oder wenigstens ein Licht, das aufgeht, schadet nie, also nix wie hin. Dann heißt es tapfer sein, denn hier wird jeder zum Strichcode.
"Am Eingang wird man gleich gescannt: als Erstes vom eigenen kritischen Blick in einen Spiegel – wir befinden uns noch auf der analogen Ebene. Dann aber digital: Nach elektronischer Einlesung sieht man sich auf einem Monitor als dreidimensionales Computerbild, dessen Informationen auf einem weiteren Bildschirm ausgedeutscht werden. Zu lesen sind da Angaben zu Geschlecht, Größe und Alter."
Durch einen Fehler bei der Übersetzung von Code zu Code widerfuhr dem Autor der NZZ übrigens eine Verjüngung um 15 Jahre. Wie nett.

Wandern als Revolution

Komplett analog ist die Welt der klassischen Gemälde, aber ohne Codes kommt sie nicht aus. Wenn Gustave Courbet sich als Wanderer mit seinem Mäzen Alfred Bruyas portraitiert, kraftstrotzend, mit keck gerecktem Kinn, während sein Gönner fast devot Abstand hält, dann präsentiert das Bild ein neues Selbstbewusstsein, eine Freiheit des Künstlers. Wir werden nicht mehr vermessen – sondern sind, passend zur Jahreszeit, in der neuen Ausstellung Wanderlust der Alten Nationalgalerie in Berlin gelandet, die die ZEIT wie den TAGESSPIEGEL begeistert.
"Aufbruch ins Freie" titelt die ZEIT, "Das Wandern ist ein politisches Statement. Wer jetzt an Kuhglocken, festes Rentnerschuhwerk und Heimatministerium denkt, liegt falsch. Das Wandern ist nicht betulich, es ist eine Revolution. Der Aristokrat lässt sich tragen (höchstens promeniert er mal), der Handwerker schleppt fluchend Gerätschaft, der Bürger erst wandert mit Wonne als betont autonomes und von den Ketten der Ständegesellschaft befreites Subjekt", schreibt Adam Sobozynski.
Nunja, das befreite Subjekt Bürger bevorzugte schon irgendwie angelegte Wege, und die Bürgerin, sofern sie denn kraxelte, kam in ihren Röcken nur schwer hoch hinaus, aber so erhellend wie beglückend ist die Schau in Berlin laut ZEIT geraten. Im TAGESSPIEGEL – "Der Weg ins Freie" – konzentriert sich Simone Reber stärker auf die Bilder selbst, deren Prunkstück, Caspar David Friedrichs berühmter "Wanderer über dem Nebelmeer", den Zuschauer dazu einlädt, seinen Platz, seine Perspektive einzunehmen. "Das Wandern als Bewegung steht für Entwicklung, für Selbstfindung, auch für die Vergeblichkeit des Lebens und schließlich für die Seelenwanderung." Soweit der TAGESSPIEGEL.

Bayern träumt von Heimat

Womöglich möchte man nach dem Ausstellungsbesuch sofort raus. Vielleicht nach Bayern? Da kann man zwar prima wandern, aber Georg Seesslens großangelegte Bestandsaufnahme "Was ist los mit dir, du Land der Bayern" lehrt eher das Gruseln.
"Der Süden schwankt zwischen Größenwahn und trotzigem Rückzug in eine ausgedachte "Heimat". Jetzt bekommt es ganz Deutschland mit den Auswirkungen dieser politischen Brauchtumspflege zu tun", so der Tenor des Artikels in der ZEIT.
Flüchten wir lieber noch kurz mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in die Welt der Viecher, "zerzauste Hunde proben den Aufstand gegen ein faschistisches Regime, das alle Vierbeiner hasst". So fasst Tobias Kniebe die "liebevoll animierte" Puppentragikomödie Isle of Dogs zusammen, die jetzt ins Kino kommt. Optisch haben die frechen Puppchenhunde alle Zeitungen überzeugt, sie gönnen sich ein Bildchen. Die SÜDDEUTSCHE empfiehlt den Film: ,Ein klares Wuff".
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