Aus den Feuilletons

"Avantgarde-Klotz" in Mainz provoziert Wutanfall

Die Computer-Visualisierung zeigt einen am Mainzer Gutenberg-Museum geplanten neuen Turm.
Turm des Anstoßes: Der sogenannte "Bibelturm" gefällt nicht Jedem. © Gutenberg-Museum/dpa
Von Tobias Wenzel · 12.04.2018
Ein Turm entzweit die Mainzer: Ob der umstrittene "Bibelturm" des Gutenberg-Museums in der Altstadt gebaut werden soll, darüber stimmen die Bürger am kommenden Sonntag ab. Der Architekturkritiker der "Welt" hat sich schon entschieden - und redet sich in Rage.
Halten Sie bloß den Atem an, liebe Hörer! Diesen Ratschlag meint man aus dem Feuilleton-Aufmacher in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu lesen. Andrian Kreye berichtet über die TED Conference im kanadischen Vancouver. Da halten Menschen, von Wissenschaftlern bis Künstlern, vor Publikum Kurz-Vorträge, die mitgeschnitten und ins Internet gestellt werden.
Die Neurowissenschaftlerin Poppy Crum hat sich mit unserem Atem beschäftigt: "Sie hat ein Verfahren entwickelt, wie man mithilfe gasometrischer Messungen von Atemluft Emotionen analysieren kann", schreibt Kreye. "Mit erstaunlicher Treffsicherheit, wie sie mithilfe eines Sensorennetzwerkes vorführt, das sie im Saal verlegt hat. Da zeigt sie eine Szene aus einem Horrorfilm, während die Analysespektren gezeigt werden. Und ja, in der Schrecksekunde der Szene zeigt die Messung deutlich die kollektive Angst des Publikums."

Kann auch für die Polizeiarbeit genutzt werden

Das habe das Publikum beeindruckt, berichtet Kreye weiter. "Aber spätestens als sie erwähnt, dass man das ja auch für die Polizeiarbeit nutzen könnte, um festzustellen, ob ein Verdächtiger psychisch gestört oder eine echte Gefahr sei, wird dem Publikum wirklich mulmig." Da will man tatsächlich lieber den Atem anhalten. Einige Vorträge der Konferenz, die sonst für Zukunftsoptimismus stehe, seien in diesem Jahr auch noch von der Wut auf Donald Trump geprägt gewesen, heißt es in der SZ.
Bleiben wir bei der Wut, wechseln aber vom Trump zu Trumpf. "Stumpf ist Trumpf" titelt Dankwart Guratzsch in der WELT und kündigt seinen eigenen "Wutanfall" an. Er regt sich wie viele Mainzer über einen "Avantgarde-Klotz", wie er es nennt, auf, der Teil der Altstadt werden könnte. Die Mainzer stimmen darüber in einem Bürgerentscheid ab.

Nichts als ein umbautes Treppenhaus

Guratzsch erklärt, was es mit diesem geplanten 20 Meter hohen "Bibelturm" auf sich hat: "[…] ein unförmiger, faustkeilartiger Stumpf, der einen Steinwurf vom tausend Jahre alten Dom in die mit Hinterlassenschaften der Römer gespickte Mainzer Erde gerammt werden soll, als Erweiterung des Gutenberg-Museums. Fünf Millionen Euro soll das in einem Architektenwettbewerb gekürte Monstrum […] kosten […]." Und dann redet sich der Architekturkritiker in Rage: "Der Entwurf präsentiert sich als Musterbeispiel beziehungsloser Bauprojekte, die von selbstgefälligen Architekten als ‚Solitäre‘ gefeiert werden, aber beim Publikum nur Kopfschütteln auslösen, weil sie sich im städtischen Gefüge nur als nichtintegrierbare Fremdkörper erweisen." In dem Turm sollen die beiden Gutenberg-Bibeln gezeigt werden, während das Museum saniert wird. Insgesamt sei das Turmformat für Ausstellungen schlicht "unwirtschaftlich", schreibt Dankwart Guratzsch und fügt noch hinzu: "Gegner höhnen, es komme nichts als ein ‚umbautes Treppenhaus‘ dabei herum."
Mit was beschäftigt sich eigentlich gerade Hans Magnus Enzensberger? Mit Äpfeln, erfährt man aus seinem Artikel für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Unfassbar, was der Apfel alles bedeutet, wofür er herhalten muss, wenn die menschliche Phantasie ihre Zügel abwirft und durchbrennt!", schreibt Enzensberger. "Sie verbindet ihn mit Adam, mit dem Zank und dem Reich, der Erde, dem Ross, dem Auge, der Galle, dem Holz, der Liebe, dem Paradies."

Der Vater der Pomologie

Der Schriftsteller erinnert an den Vater der Pomologie, den Gärtner Johann Hermann Knoop, der für eine niederländische Prinzessin den Garten pflegte. Knoop habe sich nicht nur auf Obst verstanden, sondern auch die Kultivierung der Kartoffel eingeführt: "Leider war er dem Trunk ergeben, wurde entlassen und musste, um zu essen, viele Bücher schreiben." Darunter sein Apfelkunden-Meisterwerk "Pomologia" von 1758. Das ist der Menschheit genauso geblieben wie der Apfel selbst. Und in den sollten wir jetzt alle beißen, in der Hoffnung, dass unser Apfelatem die vielleicht schon vorhandenen Atemdetektoren verwirrt und so verschleiert, ob wir gerade Angst haben oder nicht.
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