Aus den Feuilletons

"Als wir kamen war doch nüscht"

Blaulicht eines Polizeiautos, das von einer Pkw-Fensterscheibe reflektiert wird
Alarm, Alarm - viel Lärm um nichts? © picture alliance / dpa
Von Tobias Wenzel · 09.06.2014
Jetzt twittern sie alle: "Wir können weder bestätigen noch bestreiten, dass es sich hier um unseren ersten Tweet handelt." Diesen selbstironischen Satz lud nun die CIA beim bekannten Kurznachrichtendienst hoch.
Der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst wolle wohl etwas gegen seinen ramponierten Ruf durch neue Wege in der Öffentlichkeitsarbeit tun, vermutet Willi Winkler in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und zitiert einen Kommentator mit den Worten, die CIA sei ja schon lange bei Twitter, allerdings als heimlicher Beobachter.
"Kleinkind fährt mit Tretroller gegen Auto. Wir helfen beim Austausch der Personalien",
twitterte am Wochenende die Berliner Polizei. Gereon Asmuth von der TAZ verfolgte die 24-stündige Aktion merklich amüsiert:
"Das zufallsbestimmte direkte Nebeneinander von Meldungen wie: 'Erst war die Handtasche weg, als wir kamen war doch nüscht', und: 'Überbringen einer Todesnachricht in #Lichtenberg', lässt schließlich ein Panoptikum entstehen, an dem weder Soziologen noch Kulturwissenschaftler jemals vorbeikommen werden, wenn sie dereinst erforschen wollen, wie es war, im Berlin anno 2014."
Am Mittwoch vor genau 150 Jahren wurde Richard Strauss geboren. Partystimmung kommt da aber nicht bei jedem auf. Warum nicht, erklärt, Reinhard J. Brembeck in der SZ :
"Dieses tiefe Einverständnis mit einem Publikum, das zwar den sinnlichen Kitzel sucht, Umstürzlerisches aber verabscheut, hat Strauss lange Zeit suspekt gemacht für Avantgardisten".
Erst in letzter Zeit würden einige jüngere Dirigenten den Komponisten von "Elektra" und dem "Rosenkavalier" neu entdecken und hörten "auch die Untertöne, welche die Zweifel des Komponisten am Weltenlauf und am großbürgerlichen Way of Life" bewiesen. Brembeck verschweigt allerdings auch nicht, dass Strauss alles andere als ein Widerständler war:
"Strauss scheute sich (...) nicht, immer wieder den Schulterschluss mit den Herrschenden zu suchen – wenn es seiner Sache diente. Da war ihm der Kaiser genauso recht wie Hitler, Hauptsache, die Mächtigen begünstigten sein Kunstmachen."
"Er war kein Nazi, kein Parteimitglied und kein Antisemit. Er war ein lupenreiner Opportunist",
schreibt auch Joachim Kronsbein im SPIEGEL. Er erinnert daran, wie Klaus Mann, Sohn des Schriftstellers Thomas Mann, im Sommer 1945 auf Richard Strauss traf, in dessen Villa in Garmisch-Partenkirchen. Thomas Mann hatte sich 1933 in einem Aufsatz kritisch mit Richard Wagner auseinandergesetzt. Es folgte ein Protest der Wagner-Stadt München gegen Thomas Mann. Und eben diesen Protestaufruf habe auch Richard Strauss unterschrieben.
"Die öffentliche Verunglimpfung war für Mann ein letzter Anstoß, Nazi-Deutschland zu verlassen",
so die Deutung von Joachim Kronsbein. Umso verständlicher die Empörung, die Sohn Klaus Mann verspürte, als er nach Kriegsende bei Richard Strauss einer von vielen Gästen war und den Komponisten sagen hörte,
"dass die Nazi-Diktatur auch für ihn in mancher Beziehung lästig gewesen sei".
Man habe versucht, in seinem Haus ("Man stelle sich das vor!") Ausgebombte unterzubringen. "Groß ohne Größe" hat Kronsbein seinen SPIEGEL -Artikel genannt.
"Da spritzt das Gehirn wie im Splatter-Film, und aus Augen und Nase kommt sprühend das Blut. In Close-up und Zeitlupe",
schreibt Johan Schloemann in der SZ und meint Homers "Ilias", die vor allem aus Schilderungen von Kampfszenen besteht. Auch Sandalenfilme haben dazu beigetragen, dass wir uns die Antike brutaler vorstellen, als sie eigentlich war. Schloemann rezensiert "Gewalt. Die dunkle Seite der Antike", ein Buch von Martin Zimmermann. Der Münchner Althistoriker zeigt darin auf, dass oft auch die Beschreibung von antiken Kampfszenen überhaupt nicht blutrünstig oder sensationslustig war. So habe Thukydides eine Schlacht mit folgenden Worten zusammengefasst: "Viele starben."