Auffanglager in Libyen

"Man kann mit diesem Land keine Verhandlungen führen"

Die Deutsche Marine hat in einer Rettungsaktion etwa 60 Kilometer nordwestlich von Tripolis vor der libyschen Küste fast 1200 Migranten im Mittelmeer aus Seenot gerettet und nach Italien gebracht.
Für Flüchtlinge ein Albtraum: Nach ihrer Rettung aus dem Mittelmeer wieder nach Libyen gebracht zu werden. © Bundeswehr/dpa
Thomas Hüsken im Gespräch mit Mirjam Kid · 26.06.2018
Der Ethnologe und Libyen-Experte Thomas Hüsken warnt vor Plänen europäischer Politiker, Flüchtlinge in Auffanglager in Libyen zu bringen. In dem Land gebe es keine staatliche Ordnung und keinen Ansprechpartner. Geflüchtete würden nach Augenzeugenberichten misshandelt und versklavt.
In Libyen finde ein Bürgerkrieg statt, bewaffnete Auseinandersetzungen seien Alltag: So beschreibt Thomas Hüsken die Lage in dem Land, das er selbst im Frühjahr besucht hat. Über die bestehenden Flüchtlingslager südlich von Tripolis hat der Ethnologe von der Universität Bayreuth Informationen eines algerischen Kollegen: Dieser habe persönlich Sklavenmärkte beobachtet, "in denen Menschen in Ketten vorgeführt und en gros verkauft" würden:
"Das sind in der Tat bestürzende Zustände, die sich im Moment auch zuspitzen, und die natürlich in keiner Weise akzeptabel sind - auch für die meisten Libyer im übrigen nicht akzeptabel sind, die aber eben in der gegenwärtigen Ordnung, die vielgestaltig ist, für bestimmte Akteure lohnend sind."

Libyen hat keine staatliche Ordnung

Mit Libyen in punkto Auffanglager für Flüchtlinge zusammenzuarbeiten, hält Hüsken für ausgeschlossen:
"Libyen hat keine staatliche Ordnung, Libyen verfügt über zwei Regierungen und über ein weiteres Machtzentrum in Misrata, der Hafenstadt. Es gibt gar keinen konkreten staatlichen Ansprechpartner. In welche Richtung sich Libyen entwickeln wird, ist derzeit völlig offen. Auch die politischen Verhandlungen in Paris haben kein weiteres Ergebnis gezeitigt. Insofern kann man im Moment mit diesem Land in der Flüchtlingsfrage seriöserweise keine Verhandlungen führen."
Libyen sei in der gegenwärtigen Verfassung auch selbst mit der Flüchtlingskrise "völlig überfordert", so Hüsken: "Das Land hat massive innere Flüchtlings- und Migrationsströme aufgrund der Gewalt, und dann kommen eben noch Migrationsströme aus dem Sahel dazu und aus Westafrika. Dazu ist Libyen im Moment nicht in der Lage, darauf eine konstruktive Antwort zu geben."
(bth)
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