Auf Textsuche für spanische Nationalhymne

"Ein Versuch, auf der Schlagerebene Wunden zu heilen"

Demonstrant in Spanien
Ein Demonstrant hält in Barcelona die spanische Flagge in die Höhe. © imago/ZUMA Press
Paul Ingendaay im Gespräch mit Ute Welty · 21.04.2018
Spanien sucht nach Worten für seine Nationalhymne. Nicht zum ersten und wohl auch nicht zum letzten Mal. Der aktuelle Vorschlag des Schlagersängers Alejandro Abad ist für Spanienkenner Paul Ingendaay auch ein Appell an die Völker Spaniens: Vertragt euch!
Spaniens Nationalhymne, der "Marcha Real" ("Königsmarsch") von 1761, ist zwar eine der ältesten der Welt, aber streng genommen ist sie gar keine.
Denn: "Eine Hymne ist keine Hymne ohne einen Text", wie Paul Ingendaay, langjähriger Spanien- und Europakorrespondent der FAZ, betont. Doch das soll jetzt anders werden. Kürzlich präsentierte der Schlagersänger Alejandro Abad einen Textvorschlag für die Hymne: "Canta Espana" beschwört die Vielfalt der Landschaften und Menschen Spaniens, die die gemeinsame Liebe zum Land vereint.

"Ein Appell an die Spanier, sich zu vertragen"

"Es ist ein Loblied auf die Diversität, also wirklich nicht nur multikulturell, sondern die Völker Spaniens sozusagen", sagt Ingendaay. "Es ist ein Appell an Spanien, sich zu vertragen, und zwar mit allen Landesteilen."
Dieser Appell ist angesichts der Heterogenität Spaniens offenbar angezeigt, die weit größer ist, als es der Katalonien-Konflikt widerspiegelt. "Es werden hier vier offizielle Sprachen gesprochen", betont Ingendaay. "Das ganze Land, das recht groß ist, hat eher das Aussehen eines kleinen Kontinent, auch mit seinen Temperamenten. Im Norden die Kelten, die Galizier, die Basken, im Süden die Andalusier, die Arabischen." Diese Vielfalt von Hautfarben, Temperamenten und kulturellen Identitäten unter einen Hut zu bringen, sei in einem "zentralen Königreich" wie Spanien manchmal schwierig.

"Keinerlei Effekt für den gegenwärtigen Konflikt"

Abads Initiative sei in Spanien auf große Resonanz gestoßen: "Es sind schon große Artikel in den Zeitungen und es sind viele Kommentare in den Online-Ausgaben." Den Text könne man belächeln, doch er sei auch der Versuch, auf der Schlagerebene "Wunden zu heilen und ein großes Pflaster darauf zu kleben", meint Ingendaay.
"Das wird keinerlei Effekt haben für den gegenwärtigen Konflikt, das ist uns allen klar. Aber wenn das Volk darüber spricht, dann merkt man, dass das Bedürfnis da ist, sich auch auf der Ebene sich damit zu beschäftigen und vielleicht sogar den Weg zu zeigen, wie es besser werden könnte. Das spricht doch sehr aus diesen Zeilen."
Zumal Abad nicht der einzige ist, der in jüngster Zeit einen Textvorschlag für die Hymne präsentiert hat: "Marta Sánchez hat vor zwei Monaten überraschend in einem Theater, in einem Konzert ihre Version der Hymne gesungen, und die Leute waren ergriffen, und der Ministerpräsident Rajoy hat einen Tweet geschrieben und hat sie beglückwünscht."
Auch früher schon gab es Initiativen, für die Hymne einen Text zu finden – zum Beispiel 2007, angestoßen vom Spanischen Olympischen Komitee. Bislang wurde allerdings nie ein Konsens erzielt.
(uko)
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