Auf der Suche nach der römischen Wasserorgel

Von Isabella Kolar · 11.03.2009
Unweit von Weißenburg verläuft der Limes, der Weltkulturerbe ist. Bis dahin kamen die Römer, ein historischer Boden. Ein Gymnasiallehrer fand hier in seinem Vorgarten 1979 einen Römerschatz. In dem bayerischen Ort wurde eine Wasserorgel aus der Antike nachgebaut. Durch Wasser und Luftdruck werden damit Töne erzeugt.
Der Regionalexpress 37712 fährt in Augsburg von Gleis 7 Nord und endet in Nürnberg. Ich will aber in die historische Römerstadt Weißenburg genauer zur römischen Hydraulis. Kein Zugpersonal am Bahnhof weit und breit, von den Zuginsassen weiß niemand von Weißenburg. Rom ist offensichtlich schon lange her. Aber die Nummer auf dem Fahrschein stimmt. Also setze ich mich schicksalsergeben hinein. Anderthalb Stunden Fahrt durch eine dicke Nebelsuppe, Donauwörth, Otting, Treuchtlingen und, jawohl, oh Wunder, Weißenburg.

Ich falle begeistert aus dem Zug, höre die römische Hydraulis im Geiste schon klingen und sehe, dass ich nichts sehe. Doch da, am Horizont ein Kirchturm. Ich setze mich in Bewegung und falle nach einem Abstecher in mein Hotel ein in das Amt für Kultur und Touristik am Martin-Luther-Platz 3. Es liegt im Untergeschoss des Gebäudes, aus dem wir senden wollen: Hier befindet sich das bayerische Limes-Informationszentrum und das Römermuseum mit dem legendären erst 1979 von einem Gymnasiallehrer beim Spargelanbau gefundenen Römerschatz.

Eine Live-Reportage aus dem Museum? – Ja, von wegen trocken, aber mit klingender Orgelmusik, da geht die Post beziehungsweise die Hydraulis ab. Die römische Hydraulis ist – falls Sie das noch nicht wissen sollten – eine römische Wasserorgel. Ihr Spieler und Erbauer: der örtliche Musikschulleiter Justus Willberg. Am Abend treffe ich ihn, einen stattlichen blonden Mann in den 40ern, er wirkt eigentlich ganz normal, aber er und seine Gruppe spielen auf der römischen Hydraulis und das seit Jahren mit Leidenschaft und das weltweit und auch vor tausenden von Zuschauern. Und das Ganze im Museum im Foyer über einem unter Glas in den Boden eingelassenen Skelett eines Pferdes aus dem frühen Mittelalter. Schon ein bisschen strange. In historischen Kostümen zur Erheiterung und Bildung der Museumsbesucher, um sie einzustimmen auf die Römerzeit.

Damals, als die Römer im 1. und 2. Jahrhundert hier lebten, wurde die römische Hydraulis immer zu Gladiatorenkämpfen eingesetzt. Justus Willberg hat mit seiner Projektgruppe das weltweit einzigartige Exemplar nachgebaut. Eine CD ist auch schon auf dem Markt, die nächste in Arbeit. Der Tag war lang, aber soviel bleibt hängen: Die römische Wasserorgel war in der Antike weit verbreitet. Willberg und seine Partnerin erklären mir detailliert, wie 50 Liter Wasser in einen stabilen Holzraum gepumpt und dadurch Luftdruck erzeugt wird, wie zwei lustige Delphine aus Holz bei der Arbeit helfen und wie Töne entstehen, oben drauf aus den silbrig schimmernden Orgelpfeifen.

Spätestens als Herr Willberg, ein ausgebildeter Konzertflötist, der alte Musik studiert hat, mir engagiert aus 2000 Jahre alten Noten vorsingt, die aussehen wie das griechische Alphabet, weiß ich: Das ist mein Mann! Und setze ihn dann auch gleich ein bisschen unter Druck: am 11.3. um 8.20 Uhr ist die Sendung aus Weißenburg, bitte keine Grippe oder sonstige unvorhergesehene Zwischenfälle. Herr Willberg ist hier ganz und gar unersetzbar. Er nickt und verspricht, auf keinen Fall krank zu werden.

Unweit von hier verläuft der Limes, der Weltkulturerbe ist, bis dahin kamen die Römer, ein historischer Boden, ein historisches Instrument und eine historische Sendung – da muss alles flutschen wie am Schnürchen. In und mit der Wasserorgel. Ich reise ab aus Weißenburg und träume im Zug von dem Gymnasiallehrer, der den Römerschatz in seinem Vorgarten gefunden hat. 1,8 Millionen Mark Entschädigung hat der vom bayerischen Staat damals dafür bekommen. Vielleicht könnte man ihn mal kennenlernen? Für die Sendung, versteht sich.